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Massenschlägerei mit 200 Beteiligten

Handgreifliche Folgen eines zurückgenommenen Eheversprechens

„Massenschlägerei wegen gebrochenen Heiratsversprechens“ – überschreibt eine Nachrichtenagentur ihren Bericht über eine Auseinandersetzung in einem rumänischen Dorf. An der Keilerei in einem „Roma-Dorf“ hätten sich 200 Personen beteiligt. Auslöser: Ein Mädchen war – nach „Roma-Sitte“ – einem Jungen zur Ehe versprochen worden. Als die Mutter des Teenagers das Versprechen zurücknahm, kam es zu dem Austausch von handgreiflichen Argumenten. Im Bericht der Agentur heißt es erläuternd weiter: „Arrangierte Kinder-Ehen ohne offiziellen Trauschein sind bei Roma üblich“. In einer ersten Meldung war zunächst von einem „Sinti-Dorf“ die Rede gewesen. Zwei Stunden nach ihrer Verbreitung korrigierte sich die Agentur mit dem Hinweis auf ein „Roma-Dorf“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung). Den Roma würden allgemein strafbare Verhaltensweisen unterstellt. Dadurch würden Vorurteile gegen die Minderheit als Ganzes geschürt und diese stigmatisiert. Nach Auffassung der Agentur ist die kritisierte Meldung kein typischer Bericht über Straftaten. Hier gehe es um eine Schlägerei mit etwa 200 Beteiligten. Dies sei Anlass für die Berichterstattung gewesen und nicht die Frage, ob und gegebenenfalls welche Delikte von wem und gegen wen begangen wurden. Es stehe also das außergewöhnliche Ereignis und nicht die strafrechtliche Einordnung im Vordergrund. Die Nennung der Minderheit habe einen Sachbezug darin, dass es sich beim Brauchtum der arrangierten Ehen von Minderjährigen nicht um einen Einzelfall handele, sondern um ein Problem, das vor allem in einigen Regionen Südosteuropas, insbesondere unter Angehörigen der Roma, verbreitet sei. Die Rechtsabteilung verweist zur Untermauerung ihrer Argumente auf ein Projekt der Roma-Dichterin Luminita Cioaba unter dem Namen „Zwischen Tradition und Gesetz“ sowie einen bekannt gewordenen Fall von zwölf- bis fünfzehnjährigen Jugendlichen im Jahr 2003. Die angegriffene Behauptung, derartige Hochzeiten seien „üblich“, sei demnach keinesfalls unzulässig verallgemeinernd oder gar diskriminierend. Die Rechtsvertretung der Agentur verweist abschließend auf einen Unicef-Bericht von 2007 mit dem Titel „Zur Lage der Roma-Kinder in Südosteuropa“. (2009)