Den Namen des Beschuldigten genannt
Vorwurf von Untreue und Korruption im kommunalen Bereich
Eine Regionalzeitung berichtet über einen Mann, dem Veruntreuung und Korruption vorgeworfen werden. Er soll der Firma, bei der er beschäftigt war, einen Schaden von 360.000 Euro zugefügt haben. Der Name des Beschuldigten wird genannt. Er ist Vorsitzender des Stadtverbandes einer Partei. Die Vorwürfe sind sowohl in einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft als auch im Prüfbericht einer Wirtschaftskanzlei enthalten. Anwaltlich vertreten, sieht der Beschuldigte in der Berichterstattung Verstöße gegen die Ziffern 4, 8 und 13 des Pressekodex. Ein Verstoß gegen Ziffer 8 liege vor, weil ihn die Zeitung bei vollem Namen genannt habe. Nach Ziffer 8.1, Absatz 4, ist eine Namensnennung nur bei Kapitalverbrechen zulässig. Um ein solches gehe es in seinem Fall jedoch nicht. Einen Verstoß gegen Ziffer 13 sieht der Beschwerdeführer darin, dass Ergebnisse aus dem vertraulichen Zwischenbericht der Wirtschaftskanzlei als Tatsachenbehauptungen wiedergegeben worden seien. Die Redaktion lässt sich ebenfalls von einem Anwalt vertreten. Sie steht auf dem Standpunkt, dass der Name des Beschuldigten genannt werden konnte. Sie beruft sich auf Richtlinie 8.1, Absatz 5, des Pressekodex. Danach können Namensnennung und Abbildung zulässig sein, wenn ein Zusammenhang zwischen Amt und Mandat und einer Straftat gegeben ist. Ein solcher Zusammenhang bestehe hier. In seiner Funktion bei einem kommunalen Energieversorger solle er Veruntreuungen bei der Vergabe von Tiefbauarbeiten an einen befreundeten Unternehmer begangen haben. Bei den vermutlichen Straftaten handele es sich um solche, die ein besonderes öffentliches Interesse auf sich zögen und bei denen der Informationsfunktion der Presse wegen der Verbindung von staatlichem und politischem Handeln mit dem strafbaren Verhalten von Amtsträgern erhöhte Bedeutung zukomme. Es sei zu berücksichtigen, dass im lokalen Bereich die Identifizierung des Beschwerdeführers auch ohne Namensnennung leicht möglich gewesen wäre. Ein Verstoß gegen die weiter ins Feld geführten Ziffern des Pressekodex liege ebenfalls nicht vor. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung sei beachtet worden. Auch werde durchgängig dargestellt, dass es sich bislang lediglich um einen Verdacht handele. Der Versuch, von dem Beschuldigten eine Stellungnahme einzuholen, sei gescheitert. Offensichtlich habe er kein Interesse an einem klärenden Gespräch gehabt. (2007)