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Andere Minderheit sollte geschützt werden

Redaktion hätte der vermeintlichen Gefahr anders begegnen müssen

Eine Regionalzeitung bringt einen Bericht unter der Überschrift „Betrug beschäftigt Politiker“. Eine „Sinti-Familie“ soll über einen Zeitraum von sechs Jahren 130.000 Euro Sozialhilfe erschlichen haben. Mittlerweile läuft gegen die Familie ein Gerichtsverfahren. Die Zeitung stellt die genaueren Umstände des Falles dar. Sie benutzt im Text den Begriff „Sinti-Familie“. Der Zentralrat der Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex in Verbindung mit Richtlinie 12.1. Darin ist unter anderem die Diskriminierung ethnischer Minderheiten definiert. Die Minderheiten-Kennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Der Rat wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung hält die Nennung der ethnischen Zugehörigkeit für gerechtfertigt. Die Redaktion habe nach eingehender Beratung so entschieden, um eine andere Minderheit zu schützen. Grund: Das Verbreitungsgebiet sei eine „Hochburg“ yezidischer Kurden. In der Bevölkerung sei die Ansicht verbreitet, dass diese Bevölkerungsgruppe sich häufig strafbar mache. Die Redaktion habe vermeiden wollen, dass diese Gruppe mit dem vorliegenden Fall in Verbindung gebracht werde. Der Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit finde sich nur an einer Stelle im Text. Auf einen entsprechenden Hinweis in der Überschrift habe die Redaktion bewusst verzichtet. Die Zeitung vertritt die Auffassung, dass mit dem Beitrag keine Vorurteile geschürt worden seien. Auch liege keine Diskriminierung vor, denn es sei gerade nicht der Eindruck erweckt worden, Sinti und Roma machten sich häufig straffällig. (2006)