Entscheidungen finden

Der quälend lange Tod eines Rentners

Angeklagte sind durch Berichte nur für ihr engstes Umfeld erkennbar

Mehrmals berichtet eine Regionalzeitung über den Fortgang eines Prozesses. Es geht um den Tod eines Rentners. Der Mann war an den Folgen eines Raubüberfalls gestorben, bei dem er gefesselt worden war und dann eine Woche lang unentdeckt in seinem Haus gelegen hatte. Angeklagt sind drei junge Männer, die von der Zeitung mit Vornamen, abgekürztem Familiennamen und ihrem Alter genannt werden. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Kennzeichnung der Angeklagten. Jedes Familienmitglied, Freunde oder Bekannte wüssten sofort, wer gemeint sei. Hier liege eindeutig eine Missachtung der Richtlinie 8.1 vor. Auch sieht er einen Verstoß gegen Richtlinie 8.3, nach der die Zeitung auf Nachrichten verzichten müsse, die eine Resozialisierung behindern könnten. Die Art der Berichterstattung führe sogar dazu, dass viele Menschen, sogar im engsten Familienkreis, an der Unschuld der Angeklagten zweifelten. Der Beschwerdeführer sieht hier einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Die Rechtsvertretung der Zeitung stellt fest, die Redaktion habe die anonymisierten Angaben zur Person der Angeklagten erst nach einer entsprechenden Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei übernommen. Zum Vorwurf, die Resozialisierung behindert zu haben, führt die Rechtsvertretung aus, dass bis zur rechtskräftigen Verurteilung der Angeklagten die Unschuldsvermutung gelte. Im Bewusstsein dieser Verpflichtung habe die Zeitung auf die Veröffentlichung von Fotos verzichtet und lediglich Zeugenaussagen, Aussagen von Sachverständigen und Erklärungen der Verteidiger wiedergegeben. (2008)