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„Er“ oder „sie“ – Autoren in Nöten

Bericht über einen Mordversuch an „einem transsexuellen Thailänder“

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „War es ein Mordversuch aus Liebe?“ einen Beitrag. Eine Zweitüberschrift lautet „Thai Transe niedergestochen“. Es geht um einen Familienvater aus einer Kleinstadt, der sich in einen jungen Thailänder verliebt hatte. Diese Beziehung habe mit einem Mordversuch geendet. Der Asiat wird im Beitrag „Transsexueller“ genannt, in der Überschrift „Transe“ und im weiteren Text immer als „der Liebhaber“ oder „der Thailänder“. Als der zehn Jahre jüngere Callboy zum Anschaffen quer durch Deutschland gereist sei, sei ihm der Familienvater hinterhergefahren. Nach einer Aussprache sei der Thailänder blutend am Boden gelegen. Die Staatsanwaltschaft habe die Tat als versuchten Mord aus niederen Motiven bewertet. Die „Aktion Transsexualität und Menschenrechte e. V.“ sieht in dem Beitrag einen Verstoß gegen den Pressekodex. Sie zitiert eine Erklärung des Presserats, in dem dieser die Presse aufgefordert habe, respektvollen Umfang mit transsexuellen Menschen zu pflegen. Es sei ein Verstoß gegen die Menschenwürde, einer transsexuellen Frau die richtigen Personalpronomen zu verwehren. Eine transsexuelle Frau öffentlich als „er“ zu bezeichnen, sei nicht nur ein Zwangsouting, sondern eine Ehrverletzung. Die Rechtsabteilung der Zeitung widerspricht dem Vorwurf, die Redaktion habe gegen das Gebot der Menschenwürde und des Schutzes der Ehre verstoßen. Im Artikel werde sachlich und objektiv über Vorgeschichte und Tatgeschehen berichtet. Es gehe dabei nur um Fakten, so dass keine Diskriminierung oder Herabwürdigung von Transvestiten oder Transsexuellen erkennbar sei. Bei der Berichterstattung zu diesem Thema sei es für den Autor oft schwierig zu entscheiden, welches Personalpronomen zu verwenden sei. Wichtig sei, dass in dem Artikel der Leser nicht falsch informiert werde oder diskriminierend über diese Menschen berichtet werde. Die Lesbarkeit und Verständlichkeit eines Textes müssten gegeben sein, was hier ohne Zweifel der Fall sei. Dass in dem Beitrag das Opfer einmal als „Transsexueller“, dann als „Transvestit“ bezeichnet worden sei, bedauere man. Dennoch sei der Beitrag nicht herabwürdigend. (2009)