EU-Kommissar im Leserbrief der Lüge bezichtigt
Einsender bleibt die Beweise für seine Behauptungen schuldig
In einem Nachrichtenmagazin erscheint ein Leserbrief unter der Überschrift „Offensichtliche Täuschung“. Darin stellt der Einsender diese Behauptung auf: „Natürlich lügt Kommissar Verheugen! Er tut das oft und völlig gewissenlos. Seine triviale Fremdgeh-Geschichte ist mir gleichgültig, aber andere Lügen sind es nicht.“ Ein Leser kritisiert die nach seiner Meinung vorliegende Verletzung der Sorgfaltspflicht und wendet sich an den Deutschen Presserat. Der Leserbriefschreiber bezichtige Verheugen der Lüge, könne dies aber nicht beweisen. Somit liege eine falsche Tatsachenbehauptung vor. Die Redaktion habe es offenbar unterlassen, den Leserbrief auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Der Chefredakteur des Magazins betont, dass die Redaktion selbstverständlich die Richtlinie 2.6 (Leserbriefe) beachte, doch entspreche es der Spruchpraxis des Presserats, dass es einer Redaktion nicht möglich sei, alle Einsendungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Zwar verwende der Leserbriefautor das Wort „Lüge“, doch wende er sich im Kern gegen eine von ihm als interessengeleitet bewertete Äußerung des Politikers: Verheugen spiele die Kriminalität in bestimmten Bevölkerungsteilen herunter, um die Osterweiterung und damit seine persönliche Machtstrategie nicht zu gefährden. Der Chefredakteur meint, dass man eine solche Meinung durchaus haben könne, auch wenn der EU-Erweiterungsprozess weitgehend abgeschlossen sie. Eine weitergehende Prüfungspflicht der Redaktion könne auch nach nochmaliger Überprüfung des Falles nicht erkannt werden. (2007)