„Todesmutter“ und „Grab der Schande“
Identifizierend über mutmaßliche Kindermörderin berichtet
„Das Horror-Geständnis der Todes-Mutter“ und „Haftbefehl! Hier bringen sie die Todes-Mutter in den Knast“ titelt eine Boulevardzeitung über den Haftbefehl gegen eine 24-jährige Arbeitslose, die auf der Toilette eines Krankenhauses ein Baby geboren und es später in ein Gebüsch geworfen haben soll. Die Zeitung druckt Fotos der Frau mit Gesichtsbalken. Zwei Ausgaben später wird über die Beerdigung des Babys unter der Überschrift „Das Grab der Schande“ berichtet. Es wird behauptet, daran habe niemand von der Familie teilgenommen. Neben dem Grab des Kindes wird erneut die junge Frau mit Gesichtsbalken gezeigt. Fünf Repräsentanten aus dem Ort – der Bürgermeister, ein Pfarrer, eine pastorale Mitarbeiterin, ein Journalist und ein Blog-Autor – wenden sich mit Beschwerden an den Deutschen Presserat. Sie sind der Auffassung, dass die Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte der Frau verletze, da sie trotz des Augenbalkens auf den veröffentlichten Fotos zu identifizieren sei. Außerdem nenne die Zeitung Haarfarbe, Statur, Nationalität, Wohnort und Lebenssituation der Frau. Die Tatsache, dass die Polizei im Zuge der Fahndung Informationen über die Frau und ein Fahndungsfoto veröffentlicht habe, rechtfertige diese Berichterstattung nicht. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass es sich wegen der Wortgleichheit in allen Fällen um eine und nicht um fünf Beschwerden handele. Die Frau sei eine relative Person der Zeitgeschichte. Diese Einschätzung ergebe sich aus der Fahndung, der Schwere und den Umständen der Tat sowie aus dem Geständnis der Abgebildeten. Die Erkennbarkeit ergebe sich nicht aus der Berichterstattung der Zeitung, sondern vielmehr aus dem Fahndungsaufruf der Polizei. Außerdem sei der Fall bereits Stadtgespräch gewesen. Es sei nicht wahrheitswidrig über die Abwesenheit von Familienmitgliedern bei der Beerdigung berichtet worden. Die Redaktion habe sich auf Informationen des Bestatters und Recherchen vor Ort gestützt. Für die Bezeichnung „Horror-Geständnis“ und „Todes-Mutter“ nimmt die Redaktion das Recht der freien Meinungsäußerung in Anspruch. Sie stützt sich damit auf die Tatsachengrundlage, die sich aus dem Artikel ergebe. (2007)