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Karikatur Zerrbild der Wirklichkeit

Es ist ein Prinzip des Presserats, Geschmacksfragen nicht zu bewerten

„Ich bin am Ort das größte Schwein, lass´ mich mit einem Raucher ein“ – das schreibt eine Illustrierte unter eine Karikatur, die einen Mann zeigt, der in gebeugter Haltung über die Straße geht. Passanten werfen ihm verächtliche Blicke zu. Auf einer Litfasssäule ist ein Fahndungsplakat abgebildet, auf dem mehrere Raucher zu sehen sind. Zusätzlicher Text zur Karikatur: „Na endlich! Das Antirauchergesetz wird konsequent durchgesetzt!“ Die Karikatur ist in bräunlichen Tönen gehalten. Die verwendete Schriftart erinnert an die dreißiger Jahre. Ein Leser wendet sich an den Deutschen Presserat, weil er die schutzwürdigen Interessen der Opfer der Nationalsozialistischen Diktatur verletzt sieht. Die Aufschrift des Schildes, das der abgebildete Mann trägt, solle ohne Zweifel an Schilder erinnern, die während der NS-Zeit Menschen um den Hals gehängt wurden und auf denen die Inschrift lautete: „Ich bin am Ort das größte Schwein und lass´ mich nur mit Juden ein“. In der Karikatur, so der Beschwerdeführer, werde im Ergebnis der Rassenwahn nicht nur verharmlost. Der Karikaturist mache sich darüber auch noch lustig, indem er das Rauchen auf eine Stufe stellt mit damaligen Verstößen gegen die Nürnberger Rassegesetze. Die Rechtsabteilung der Illustrierten wehrt sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung. Der Beschwerdeführer verkenne, dass es sich um eine Karikatur handele, die bewusst ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittle und zu deren Wesen Übertreibungen und Verfremdungen gehörten. Der Karikaturist wolle Kritik üben an einer Zeit, in der die Diskussion um ein Rauchverbot in der Öffentlichkeit zu überzogenen Reaktionen und Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft führe und Raucher stigmatisiert würden. Der Künstler habe einen eher abwegigen Vergleich gewählt, um zu dokumentieren, in welches nach seiner Ansicht abwegige Fahrwasser die Diskussion über das Anti-Rauchergesetz geraten ist. Schließlich stellt sich die Geschmacksfrage, über die der Presserat jedoch nicht urteile. (2007)