Der „allererste“ und der „zweite“ Blick
Anzeige in einer Zeitschrift wie eine gewohnte Redaktionsrubrik gestaltet
Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht unter der Überschrift „Mitteilung“ die Anzeige eines Autoherstellers, die sich in Aufmachung und Platzierung an die bekannte „Hausmitteilung“ der Zeitschrift anlehnt. Ein Leser vertritt die Ansicht, dass die Anzeige nicht sofort als solche zu erkennen sei. Die Werbung werde erst dann deutlich, wenn man einen Teil der Veröffentlichung gelesen habe. Der Leser vermutet, dass die an eine redaktionelle Aufmachung angelehnte Darstellung sowie die Platzierung den Leser bewusst täuschen sollen. Nach Auffassung des Justitiariats der Zeitschrift liege es auf der Hand, dass Zweck der vom Kunden gestalteten Aufmachung der Veröffentlichung gewesen sei, sich an die übliche „Hausmitteilung“ der Zeitschrift anzulehnen und dadurch eine gesteigerte Wahrnehmung durch den Leser zu erreichen. Sicherlich sei es auch richtig, dass der flüchtige Leser auf den „allerersten“ Blick in Erwartung der ihm vertrauten „Hausmitteilung“ die Anzeige als redaktionelle Seite wahrnehme. Entscheidend für die Beurteilung dieses Falles sei jedoch nicht der „allererste“ Blick, sondern der Eindruck, den der Leser „auf den zweiten Blick“ gewinne. Der Leser sitze nicht endgültig einem Irrtum auf. Auch der Beschwerdeführer räume ein, dass er die Veröffentlichung recht schnell als Werbung erkannt habe. Eine mögliche Verwirrung der Leser habe nur sehr kurz angedauert. Auch habe die Überschrift „Mitteilung“ und nicht – wie sonst an dieser Stelle üblich – „Hausmitteilung“ gelautet. Grafik und Typographie seien zwar angenähert, aber nicht identisch. Die gewohnheitsmäßigen Leser der Zeitschrift seien schließlich aufgeklärt und kritisch genug, um nicht anzunehmen, dass die Redaktion eine derartige Lobeshymne auf das Produkt eines Autoherstellers veröffentlichen würde. Aus diesen Gründen habe keine zwingende Kennzeichnungspflicht für den Beitrag bestanden. (2009)