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Internet verändert Medienverhalten

Sonntagszeitung geht mit den Toten von Winnenden sehr dezent um

Unter der Überschrift „Der Sonntag der Trauer“ berichtet eine Sonntagszeitung über die Opfer des Amoklaufes von Winnenden. Die Titelseite trägt 16 Porträtbilder, von denen 15 die Mordopfer zeigen. Auf einem Foto ist die Person unkenntlich gemacht. In den Bildtexten stehen die abgekürzten Namen der Toten. Das 16. Bild zeigt den Amokläufer. Text: „Tim K. (17), der Täter. Wir trauern auch um seine verlorene Seele“. Im Vorspann des Beitrages heißt es: „Es tut so weh und macht so Angst, weil die Tat so unfassbar, nicht erklärbar ist. 15 Menschen erschoss Tim K. (17) am Mittwoch mit der Beretta seines Vaters. Wir erzählen die Geschichten der Opfer, ihr ausgelöschtes Leben, ihre ermordete Zukunft. Einige von ihnen hatten sich gerade zum ersten Mal verliebt. Das Drama von Winnenden – ab Seite 6“. Aus Sicht eines Lesers ist die Art der Berichterstattung ein Verstoß gegen den Pressekodex. In unerträglicher Weise würden die Opfer der Bluttat öffentlich dargestellt. Mit Hilfe dubioser Quellen sei versucht worden, Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Gerade den Opfern gebühre nach einer solchen Tat der besondere Schutz ihres Namens und ihres Bildes – auch wenn sie das Verbrechen nicht überlebt haben. Die Chefredaktion der Zeitung äußert Verständnis für die Position des Beschwerdeführers, glaubt jedoch, ethische Grenzen nicht überschritten zu haben. Die Redaktion habe sich die Berichterstattung über Winnenden nicht leicht gemacht. Informationsauftrag und Persönlichkeitsrechte seien immer wieder gegeneinander abgewogen worden. Die Redaktion kommt zu dem Schluss, dass es ihr gelungen sei, beiden Seiten gerecht zu werden. Generell stellt die Redaktion fest, dass die Presse Realität abbilden müsse. Dazu gehöre es, dass es bei Verbrechen Opfer gebe. Wiedergegebene Bilder und Informationen seien bereits öffentlich gewesen oder von Angehörigen genehmigt worden. Es sei kein Fall bekannt, in dem Hinterbliebene an der Berichterstattung Anstoß genommen hätten. Opfer und ihre Geschichten dürften nach Meinung des Beschwerdeführers nicht öffentlich gemacht werden. Eine Begründung dafür sei nicht zu erkennen. (2009)