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Größenwahn-Vorwurf ist suggestiv

Zeitung berichtet über wechselvolle Geschichte eines Familienbesitzes

Unter der Überschrift „Familie im Größenwahn“ berichtet eine Regionalzeitung über die Geschichte und die architektonische Entwicklung eines Familienbesitzes. Zum Beitrag gehören zwei Bilder. Das eine zeigt das Anwesen und trägt die Unterschrift: „Groß wie ein Wohnblock: Das Herrenhaus in (…) war nach 1945 ein Kinder- und Jugendheim und ist ein Ort geblieben, an dem benachteiligte Jugendliche auf ein selbst bestimmtes Leben vorbereitet werden“. Das zweite Foto zeigt den Besitz um 1850. Der Text dazu: „Da war es noch gemütlich: Das (…) Herrenhaus um 1850, bevor der Kaufmann … es kaufte und umbauen ließ“. Beschwerdeführer ist ein Nachkomme der Familie. Er kritisiert die Berichterstattung als ehrabschneidend und wirft der Redaktion vor, falsche Fakten zu veröffentlichen. Die Überschrift des Beitrages verletze die Persönlichkeitsrechte seiner Familie und sei ehrenrührig. Der Text zum Aufmacherbild zeige das 1952 umgebaute ehemalige Schloss, das heute eher einem Wohnblock gleiche. Seine Familie – so der Beschwerdeführer – sei für das abgebildete Gebäude nicht mehr verantwortlich. Die Bildunterschrift sei falsch, da es sich nicht um ein Herrenhaus und schon gar nicht um das ehemalige Schloss handele. Auch andere Behauptungen – so etwa der Besuch Theodor Fontanes auf dem Familiensitz – seien falsch. Der stellvertretende Chefredakteur sieht keine Verletzung der vom Beschwerdeführer angeführten Ziffern 2, 8 und 9 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht, Persönlichkeitsrechte und Schutz der Ehre). Der Fall sei wegen des übersteigerten Ehrgefühls des Beschwerdeführers überhaupt erst zu einem „Fall“ geworden. Die Chefredaktion habe diesem mehrfach angeboten, einen weiteren Beitrag unter seiner Beteiligung zu verfassen und abzudrucken. Die Redaktion vermag die Verärgerung des Beschwerdeführers nachzuvollziehen. Die Besitztümer der Familie seien während der Nazi-Diktatur und anschließend unter kommunistischer Herrschaft verloren gegangen. Der Familiennachkomme habe sich nach der Wiedervereinigung erfolglos um eine Rückerlangung bzw. die Entschädigung für den Verlust der Anwesen bemüht. Er fühle sich offensichtlich vom Staat beraubt. Er scheine in der Berichterstattung zudem eine „Beschmutzung seiner Familienehre“ zu sehen. Den Vorwurf, die Redaktion habe nicht sauber recherchiert und berichtet, weist der stellvertretende Chefredakteur zurück. Mit weiterführenden Angaben hätte sich die Redaktion in einer Anschlussberichterstattung auseinandergesetzt. Dies habe jedoch nicht den Vorstellungen des Beschwerdeführers entsprochen. (2009)