Das Interview, das keines war
Mitglieder-Fragen zu einem „Gesprächspartner“ gebündelt
Eine Fachzeitschrift veröffentlicht im Vorfeld eines Ergotherapie-Kongresses ein Interview mit einer angeblichen Ergotherapeutin. Ein Leser des Blattes hält das Gespräch für frei erfunden. Er habe recherchiert und festgestellt, dass es die Interviewpartnerin gar nicht gebe. Mit dem „Interview“ habe der Eindruck erweckt werden sollen, eine reale Berufskollegin mit einem ganz bestimmten Arbeitsschwerpunkt lasse sich von der Interviewerin überzeugen, an einem mit hohen Kosten verbundenen Kongress teilzunehmen. Der Beschwerdeführer - seit vielen Jahren für die Zeitschrift als Autor und Lektor tätig - unterstellt der Interviewerin, dass sie als Kongresspräsidentin und Herausgeberin der Fachzeitschrift an einer möglichst umfangreichen Kongressbeteiligung mit vielen zahlenden Teilnehmern ein wirtschaftliches und persönliches Interesse habe. Das frei erfundene „Interview“ sei ein Affront gegen die Glaubwürdigkeit und Seriosität des monatlich erscheinenden Heftes. Der Verband der Ergotherapeuten als Herausgeber der Zeitschrift nimmt Stellung. Das kritisierte Interview enthalte nachweisbar wahre Fragen und Antworten. Aus früheren Veröffentlichungen hätten sich immer wieder Fragen von Lesern und Vereinsmitgliedern ergeben, die nun in dieses Interview eingeflossen seien. Da die Fragen von unterschiedlichen Personen gestellt worden seien, habe man sich entschlossen, das Interview in der kritisierten Form und somit anonymisiert zu veröffentlichen. Die genannte Interview-Partnerin existiere nicht. Sie habe für die Personen stehen sollen, die die Fragen gestellt hätten. Es wäre – so der Herausgeber – aus heutiger Sicht unter Umständen besser gewesen, diesen Umstand zu erwähnen. Der Herausgeber stellt einen solchen Hinweis für seine nächste Ausgabe in Aussicht, sollte der Presserat zu dem Schluss kommen, dass dies erforderlich sei. Abschließend verwahrt sich der Herausgeber gegen den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf, das „Interview“ habe den wirtschaftlichen Interessen des Verbandes dienen sollen. (2008)