Wann ist ein Fahrer ein “Raser”?
Boulevardblatt unter dem Vorwurf der Vorverurteilung
Eine Boulevardzeitung veröffentlicht zwei Artikel über den Unfalltod einer TV-Darstellerin, die von einem Auto nachts überfahren wurde, als sie einen Igel retten wollte. In den Berichten ist vom mutmaßlichen Täter als “Raser” und als “Todesraser” die Rede. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, dass die Zeitung den Eindruck erweckt, der beschuldigte Fahrer sei “gerast”, obwohl die Staatsanwaltschaft, gestützt auf ein Gutachten, nicht davon ausgeht. Deren Pressemitteilung spricht von einer Geschwindigkeit von etwa 50 Stundenkilometern. Der Fahrer habe bei diesem Tempo die Frau so rechtzeitig erkennen müssen, dass der Unfall hätte vermieden werden können. Der Beschwerdeführer, der sich an den Deutschen Presserat wendet, erkennt eine wahrheitswidrige Berichterstattung, die den Angeklagten vorverurteile. Die Chefredaktion bezeichnet den Beschwerdeführer als einen auf das Blatt “spezialisierten Internet-Anbieter”, dessen Aktivitäten inzwischen beachtliche Ausmaße annähmen. Die Veröffentlichung selbst sei zulässig. Der Begriff “Raser” sei eine Wertung und zudem ein relativer Begriff. Auch bei Tempo 30 könne ein Autofahrer ein Raser sein, wenn er nicht in der Lage sei, rechtzeitig vor einem erkennbaren Hindernis zu halten. Das staatsanwaltschaftliche Gutachten komme keineswegs zu dem Schluss, der Fahrer sei nicht zu schnell gefahren. Es sage nur, der Fahrer sei 50 Stundenkilometer gefahren und hätte bei der Verkehrslage langsamer fahren müssen. Ein Gegengutachten, das die Familie der Verunglückten in Auftrag gegeben habe, komme im Übrigen zu dem Ergebnis, der Fahrer sei mit etwa 76 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen. (2005)