Güterabwägung zulasten der Betroffenen
Leiterin eines Sozialamts ist keine Person der Zeitgeschichte
Die Leiterin des Jugend- und Sozialamtes in einer mittelgroßen Stadt verursacht angetrunken zwei Verkehrsunfälle. Eine Nachrichtenagentur berichtet so, dass die Frau eindeutig zu identifizieren ist. Sie “habe ein schlechtes Vorbild gegeben”. Die Landesbeauftragte für den Datenschutz sieht Ziffer 8 des Pressekodex verletzt, da es sich um die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten handle, die in die Privatsphäre der Frau eingreife. Die Bezeichnung als Amtsleiterin lasse auf die konkrete Person schließen. Somit sei das Recht auf “informationelle Selbstbestimmung” verletzt. Die Güterabwägung im Rahmen der Richtlinie 8.1 sei zulasten des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen fehlerhaft vorgenommen worden. Die Unfallverursacherin sei keine Person des öffentlichen Lebens und damit keine Person der Zeitgeschichte. Die Rechtsabteilung der Agentur erkennt keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Fraglich sei bereits, ob das Privatleben der namentlich nicht genannten Amtsleiterin überhaupt Gegenstand der Meldung gewesen sei. Auf jeden Fall seien öffentliche Interessen berührt. Wer derart alkoholisiert am Straßenverkehr teilnehme, stelle eine erhebliche Gefahr für Leib und Seele anderer Verkehrsteilnehmer dar. Es habe sich also um eine schwerwiegende Gefährdungssituation gehandelt. (2006)