Kindesentführer im Bild gezeigt
Veröffentlichung war in dieser Form nicht gerechtfertigt
Eine Regionalzeitung berichtet über die Entführung eines Bankierssohns. Sie druckt Bilder zweier Brüder, die zum Zeitpunkt der Berichterstattung der Tat verdächtigt werden. Eines der Fotos zeigt einen der Entführer mit seiner Tochter in der Badewanne. Beide Verdächtige sind erkennbar. Ein Leser der Zeitung wendet sich an den Deutschen Presserat, weil nach seiner Meinung die Darstellung die Grenze des ethisch Vertretbaren überschreitet. Dabei bezieht er sich vor allem auf die Veröffentlichung der Fotos. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seien die beiden Brüder noch nicht verurteilt gewesen. Eine derartige Zurschaustellung mit Hilfe privater Fotos komme einer Vorverurteilung gleich. Vor allem bei dem Badewannenfoto handele es sich um eine Darstellung aus der Privatsphäre. Es hätte nicht veröffentlicht werden dürfen. Die Rechtsabteilung der Zeitung bezeichnet die Berichterstattung als vorurteilsfrei. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hätten keine Zweifel an der Täterschaft der Festgenommenen bestanden; beide seien voll geständig gewesen. Die Redaktion bezeichnet die Formulierungen im Artikel als angemessen. Auch einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) kann die Rechtsabteilung nicht erkennen. Die Redaktion habe die Tat ihrer Schwere und Verwerflichkeit nach dem Bereich der Kapitalverbrechen zugeordnet. Dabei stützte sie sich auf die Strafandrohung für Totschlag, die der im Fall von gemeinschaftlicher Geiselnahme – wie im vorliegenden Fall – entspreche. Die Redaktion habe sich für das Foto mit einem der Verdächtigen in der Badewanne entschieden, weil es im Zusammenhang mit der Straftat einen fast schon paradoxen Aussagegehalt habe. Die Rechtsvertretung räumt jedoch ein, dass die Redaktion das Badewannenbild heute nicht mehr veröffentlichen würde. (2006)