„Vernichten“ ist kein Nazi-Begriff
Autor und Verlag eines Kinderbuches in ihrer Ehre verletzt
Eine Regionalzeitung rezensiert unter der Überschrift „Der diskrete Charme der Diffamierung“ ein Kinderbuch. In dem Beitrag heißt es unter anderem: „Eines Tages ärgerte sich Gott, der Herr, so sehr über die Menschen, dass er sich entschloss, alles Leben auf der Erde zu vernichten. Mit dem Nazi-Begriff `vernichten` wird hier ein völkermordender jüdischer Gott dargestellt. Eine schiefe, vielleicht sogar latent antisemitische Darstellung – aber deswegen sollte das Familienministerium Ursula von der Leyens nicht noch Reklame für das Buch machen (….)“. Der herausgebende Verlag des Buches hält als Beschwerdeführer den Vergleich mit Nazi-Vokabular für einen Verstoß gegen die Achtung der Wahrheit. Die Behauptung, die Formulierung „Menschen vernichten“ sei der Nazi-Sprache entlehnt, sei nachweislich falsch. Es sei allgemein bekannt, dass die Nazis ihre Verbrechen mit euphemisierenden Begriffen umschrieben hätten, heißt es in der Beschwerde. Für die Vernichtung der Juden sei beispielsweise der beschönigende Begriff „Endlösung der Judenfrage“ verwendet worden. Dass dies einem Journalisten nicht bekannt sei, hält der Beschwerdeführer für ausgeschlossen. Es sei außerdem eine grobe Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht, dass der Rezensent die Verwendung der Formulierung „Menschen vernichten“ im Rahmen der Wiedergabe der biblischen Sintflut-Geschichte nicht als dem referierten Original entlehnte Formulierung erkennt und stattdessen unseren Autor in die Nähe des Antisemitismus rückt“. Das sei diffamierend und Ruf schädigend. Die Rechtsabteilung der Zeitung erklärt, aus der Rezension gehe überdeutlich hervor, dass der Autor seine persönliche Meinung äußert. Es sei kein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten, wenn sich der Autor nicht der Quellen und Informationshilfen bediene, die nach Ansicht des Beschwerdeführers geboten gewesen wären. Es stehe jedem Journalisten frei, die Quellen seiner Meinungsbildung selbst zu wählen. Selbstverständlich habe man weder dem Buchautor noch dem Verlag antisemitische Einstellungen zuschreiben wollen. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bedauere die Redaktion dies zutiefst. Weil der Beitrag jedoch insgesamt eine Meinungsäußerung sei, könne er gar kein Verstoß gegen die Achtung der Wahrheit sein, da Meinungen gerade nicht auf ihre Wahrheit oder Unwahrheit überprüft werden könnten. (2008)