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Landrat ohne Chance zur Stellungnahme

Zeitung veröffentlicht schwere Vorwürfe ohne ausreichende Belege

„Ein Skandal – und wenig Interesse, ihn aufzuklären“ titelt eine Regionalzeitung. Es geht um das Verschwinden von Millionenbeträgen aus dem Krankenhaus einer Kleinstadt. Der Fall reiche einige Jahre zurück. Nun erhebe die Kreistagsfraktion der Linken neue Vorwürfe gegen den Landrat. Die Zeitung zitiert nicht näher genannte „Rechtsanwälte und Steuerberater“. Aus deren Unterlagen gehe hervor, dass der Landrat in die Affäre verwickelt sei. Der Landrat sieht gleich mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Er erkennt einen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Ein Journalist der Zeitung habe ihm Fragen zu dem Fall zugesandt mit der Bitte, diese bis zum nächsten Tag zu beantworten. Der nunmehr kritisierte Artikel sei jedoch bereits an diesem Tag erschienen, ohne dass die Redaktion die Beantwortung der Fragen abgewartet hätte. Die Berichterstattung, so der Landrat, sei falsch. Nach seiner Auffassung werde er als Landrat, das Kreiskrankenhaus und der Landkreis durch den Artikel in Ruf schädigender Weise öffentlich angegriffen und beleidigt. Der Landrat forderte die Zeitung auf, ihren Lesern mitzuteilen, dass die Berichterstattung nicht korrekt gewesen sei. Dem Ansuchen kommt die Redaktion nach. Sie schreibt, der Landrat habe die Vorwürfe, er habe die Aufklärung der Millionen-Affäre behindert, zurückgewiesen. Zu Details äußere er sich nicht. Der Landrat hält das nicht für eine ausreichende Richtigstellung; er leitet rechtliche Schritte ein. Beschlüsse von zwei Landgerichten liegen vor, die die Unterlassungs- und Gegendarstellungsansprüche bestätigen. Die Chefredaktion der Zeitung äußert sich mit dem Schwerpunkt des Vorwurfs eines Verstoßes gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Dabei geht es vor allem darum, dass die Redaktion mit ihrem Bericht nicht gewartet habe, bis die vom Landrat erbetenen Antworten auf die Fragen des Autors beantwortet waren. Die Redaktion habe erfahren, dass eine Konkurrenzzeitung mit der Geschichte am nächsten Tag auf dem Markt sein werde. Die Chefredaktion vermutet dahinter eine Aktion des Landrats, „um uns die Schau zu stehlen und einen Keil zwischen die Journalisten verschiedener Zeitungen zu treiben“. (2007)