Rechte von Opfer und Täter verletzt
Betroffene einer Familientragödie waren leicht identifizierbar
Ein Sohn ersticht seinen Vater. Die örtliche Zeitung berichtet und nennt die Straße, in der das Verbrechen geschah. Das Haus, in dem die Tat verübt wurde, wird gezeigt. Die Namen von Opfer und Täter werden nicht genannt. Über das Opfer wird mitgeteilt, es sei ein pensionierter Hochschuldozent und Publizist. Der mutmaßliche Täter sei 31 Jahre alt. Monate später berichtet die Zeitung über den Prozessauftakt in diesem Fall. Über den mutmaßlichen Täter Axel A. wird berichtet, dass er in einer namentlich genannten geschlossenen Psychiatrie untergebracht sei. Geschildert wird der Prozessverlauf mit zahlreichen Zeugenaussagen. Eine Leserin der Zeitung sieht in dem ersten Beitrag eine Verletzung der Richtlinie 8.1, Abs. 1 und 3, des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte und Nennung von Namen). Die Identifizierung von Opfer und Täter sei durch die Nennung des Straßennamens und die Abbildung des Hauses mühelos möglich. Die Frau des Opfers habe durch rasches Abwenden gerade noch verhindern können, dass sie fotografiert wurde. In dem Artikel über den Prozessbeginn erkennt die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Der Aufenthaltsort des Sohnes, eine Psychiatrie, werde genau benannt. Außerdem verstoße der Artikel gegen Ziffer 2 des Pressekodex (journalistische Sorgfaltspflicht). Zeugenaussagen seien entstellt wiedergegeben oder in ihr Gegenteil verkehrt worden. Die Frau des Opfers werde verunglimpft als „eine gleichgültige Frau, die den Tod ihres Mannes billigend in Kauf nimmt“. Die Zeitung hatte einen Zeugen zitiert: „Überall war es blutverschmiert. Neben dem Opfer lag ein Messer. Frau T. hatte aufgemacht und gesagt: ´Da liegt er´. Mit keinem Wort hat sie erwähnt, dass ihr Sohn weg war. In der Küche sagte sie noch: ´Ich habe nicht versucht, ihm das Messer wegzunehmen´. Das habe ich auf den Ehemann bezogen“. Laut Beschwerdeführerin hätte es richtig heißen müssen: „Ich habe noch versucht, ihm das Messer wegzunehmen“. Schließlich beklagt die Leserin, der Prozessbericht sei in einem herabwürdigenden Ton geschrieben und unangemessen sensationell. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück. Der Hinweis auf den Aufenthalt des mutmaßlichen Täters in einer Psychiatrie gehöre zur normalen Berichterstattung. Die Details aus dem Prozess seien nach seinen Recherchen korrekt wiedergegeben, also auch jene von der Aussage der Ehefrau, sie habe nicht versucht, ihm das Messer wegzunehmen. Weder das Gericht noch die Verteidigung hätten diese Passage aus dem Bericht beanstandet. (2007)