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Die Nationalität tut nichts zur Sache

Auch die Nähe zur Grenze ist kein Grund für die Nennung

Ein Jugendlicher soll eine 79-jährige Frau niedergestochen haben. Er steht vor Gericht. Die örtliche Zeitung berichtet. Der junge Mann soll die Frau gefesselt und in den Keller geschleppt haben. Das Opfer habe sich befreien können. Jemand habe die Polizei gerufen. In der Überschrift wird der mutmaßliche Täter als „tschechischer Jugendlicher“ bezeichnet, im Text dann als „21-jähriger Tscheche“. Ein Leser tritt als Beschwerdeführer auf. Er erkennt keinen Sachbezug für den wiederholten Hinweis auf die Staatsbürgerschaft des Mannes. Er sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex, der diskriminierende Berichterstattung verbietet. Die Chefredaktion der Zeitung hält es für das Verständnis des Tathergangs für erforderlich, auf die Staatsbürgerschaft des mutmaßlichen Täters hinzuweisen. Der Tatort befinde sich in unmittelbarer Nähe der tschechischen Grenze. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen hätte sich die Zahl der Straftaten in diesem Gebiet erhöht. Die Zeitung warne immer wieder davor, diese Straftaten ohne Beweise tschechischen oder anderen osteuropäischen Bürgern zuzuschreiben. Dies habe die Zeitung in ihrer Berichterstattung auch berücksichtigt. Wenn jedoch ein Verbrechen wie im vorliegenden Fall verübt werde und der auf frischer Tat ertappte Tatverdächtige Tscheche sei, dann sei dies für das Verständnis des Geschehens wichtig. Die Berichterstattung über das Verbrechen und den Prozess sei sachgerecht und von journalistischer Sorgfalt geprägt gewesen. (2009)