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Das Foto auf der Herrentoilette

Umstrittenes Einverständnis zur Veröffentlichung wirft Fragen auf

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Was geschah auf dem Männer-Klo? Drogengerüchte um (…)“ über einen Mann aus dem Showgeschäft. Ein nicht namentlich genannter Besucher eines Schwulen-Clubs will gesehen haben, wie der Sänger auf der Toilette Drogen nahm. Dem Bericht beigefügt sind drei Bilder: Das Aufmacher-Bild zeigt verschwommen zwei Männer in einem Toilettenvorraum. Die rechte Person soll den Sänger darstellen. Die Szene nahm der Beobachter mit seiner Handy-Kamera auf. Er fotografierte über eine Toilettentür hinweg. Bild zwei ist ein Porträt des Unterhaltungskünstlers; Bild drei zeigt den Sänger zusammen mit Dieter Bohlen. Ein Leser des Blattes ist der Ansicht, dass der Beitrag den Unterhalter in seiner Privatsphäre verletzt, und somit ein Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) vorliegt. Es gehe die Öffentlichkeit nichts an, wenn jemand einen Schwulen-Club besucht. Fotos von einem Aufenthalt in einem WC des Clubs seien schon gar nicht zu veröffentlichen. Sollte der Entertainer tatsächlich Kokain konsumieren, so gehe das die Polizei etwas an, nicht aber die Leser der Zeitung. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Veröffentlichung des fraglichen Fotos sei mit Einverständnis des Managements des Unterhaltungskünstlers erfolgt. Auf Anfrage der Redaktion habe dieses gesagt: „Könnt ihr drucken“. Das Foto sei vorher bereits in einer Jugendzeitschrift veröffentlicht worden. Der Sänger nehme für viele junge Leute eine Vorbild- und Orientierungsfunktion ein, weil er durch seinen Werdegang gezeigt habe, auf welche Weise ein unverhoffter Einstieg ins Musikgeschäft möglich sei. Auf eine Rückfrage des Presserats antwortet das Management mündlich und schriftlich, es habe von seiner Seite kein Einverständnis für den Abdruck des Fotos vorgelegen. Später kommt diese Version als Quintessenz des Gesprächs zwischen Redaktion und Management: „Das könnt ihr zwar drucken, aber wir werden definitiv alles abstreiten oder gar einen Kommentar abgeben“. (2007)