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Zwei Menschen mit hartem Schicksal

In beiden Fällen wurden die Opfer nicht zum Objekt herabgewürdigt

Unter der Überschrift „Polizisten schießen auf Demonstranten“ berichtet eine Boulevardzeitung über blutige Auseinandersetzungen in Thailand. Gezeigt wird das Bild eines blutüberströmten Mannes, der auf der Erde liegt. Ihm wurde ein Bein abgerissen. In derselben Ausgabe berichtet die Zeitung unter der Überschrift „Das tapferste Mädchen der Welt“ über eine zwölfjährige Engländerin, die nach einem Feuerunfall mehr als 60mal operiert werden musste. Ein großes Foto zeigt das von Narben gezeichnete Kind. Ein Leser wirft der Redaktion in beiden Fällen vor, die Sensationsgier der Leser zu bedienen. Seiner Ansicht nach könne die Berichterstattung in beiden Fällen ohne diese Art der Illustration auskommen. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Im Fall des Thailänders sei es der Redaktion nicht darum gegangen, einen Menschen zu einem bloßen Objekt herabzuwürdigen. Das Foto zeigt, dass die politischen Proteste in Thailand ein Ausmaß und eine Brutalität erreicht hätten, die mit Worten nicht mehr zu beschreiben seien. In Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem dokumentierten Leid eines Demonstranten habe sich die Redaktion für die Veröffentlichung entschieden, weil nur so das Ausmaß der Gewalt begreifbar gemacht werden könne. Vergleichbare Fotos seien auch im Fernsehen gezeigt worden. Im Fall der kleinen Engländerin ist die Zeitung der Auffassung, dass dies ein Beispiel dafür sei, wie jemand mit einem tragischen Unglücksfall umgehe, den Lebensmut nicht verliere und seine positive Grundhaltung öffentlich mache. Dies habe dazu geführt, dass das Mädchen in England als „Child of Courage“ geehrt worden sei. Über den Fall werde in den englischen Medien regelmäßig berichtet. (2008)