Todessprung wegen Zwangsräumung
Gegen Gebot der Zurückhaltung bei Suizid-Fällen verstoßen
“Mietschulden – Als die Gerichtsvollzieherin klingelte, sprang sie in den Tod” titelt eine Boulevardzeitung über eine Frau, die sich wegen der bevorstehenden Zwangsräumung ihrer Wohnung das Leben nahm. Zwei Bilder sind dem Artikel beigestellt. Auf dem einen ist die Frau abgebildet; das andere zeigt die abgedeckte Leiche, die mit einem roten Kreis besonders herausgehoben wird. Der Beschwerdeführer ruft den Deutschen Presserat an. Er sieht Richtlinie 8.5 des Pressekodex verletzt. Darin ist Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötungen geboten. Es sei über viele Details berichtet worden, so der Hochschullehrer weiter. Hinzu komme, dass die Frau auf dem Foto nicht unkenntlich gemacht und die abgedeckte Leiche auf dem zweiten Bild durch einen roten Kreis besonders hervorgehoben worden sei. Die Rechtsabteilung der Zeitung weist die Beschwerde zurück, da sie Richtlinie 8.5 des Pressekodex durch die Berichterstattung nicht verletzt sieht. Die Frau habe durch ihr Verhalten Begleitumstände geschaffen, die ihre identifizierende Darstellung rechtfertigten. Im Kontext des Geschehens sei sie eine relative Person der Zeitgeschichte. Sie habe öffentliche Aufmerksamkeit dadurch erweckt, dass sie einen spektakulären Feuerwehreinsatz provozierte. Die Feuerwehrleute hätten versucht, die Frau von dem Sprung in die Tiefe abzuhalten. Dieser Vorgang habe großes öffentliches Aufsehen erregt. Die in der Richtlinie 8.5 definierte Ausnahmesituation habe in diesem Fall vorgelegen. In der Redaktion habe es eine ausführliche Diskussion über den Fall gegeben. Ergebnis: Das gemeinsam mit der Frau auf dem Bild zu sehende Kind sei unkenntlich gemacht worden. Das Foto mit der rot eingekreisten Leiche der Frau verstoße ebenfalls nicht gegen den Pressekodex. (2006)