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Verständnis für Schüsse auf Kampfhunde

Kommentar zieht eine Fülle von Beschwerden nach sich

Unter der Überschrift „Warum? Unser Staat erlaubt, was Leben zerstört“ kommentiert der Chefredakteur einer Zeitschrift sowohl in der Print- als auch in der Online-Ausgabe den Fall eines kleinen Mädchens, dessen Gesicht und Körper durch Bisswunden von zwei Kampfhunden gezeichnet sind. Es liegt im künstlichen Koma und hat bereits zwei Operationen hinter sich. Der Chefredakteur stellt zu diesem Fall mehrere Fragen: „Warum darf in unserem Land irgend so ein Perverser überhaupt einen gefährlichen Pitbull-Terrier halten? Für was braucht man einen Kampfhund? Warum erlaubt es der Staat, dass man sich das Recht herausnimmt, solche Hunde überhaupt zu züchten, die Menschen anfallen, Leben zerstören?“ Der Autor fährt fort: „Es wird viel gelabert, verordnet, aber nichts getan. Wer den ersten Kampfhund auf offener Straße erschießt, hat mein vollstes Verständnis. Aber dann soll man, bitte nicht, über Selbstjustiz jammern. Wer nichts tut, nur klug daherredet, fordert so etwas heraus. Tut mir leid.“ Der Kommentar zieht acht Beschwerden nach sich. Ein Leser des Blattes wendet sich vor allem gegen den Satz, wonach derjenige das Verständnis des Autors habe, der einen Kampfhund erschießt. Er sieht diese Passage als öffentliche Aufforderung, eine Straftat zu begehen. Eine Leserin hält den Artikel für billige Hetze. Sie fühlt sich als verantwortungsvolle Steuerzahlerin und Hundehalterin diskriminiert. Ein weiterer Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass es de facto keine Kampfhunde gebe. Kein Hund sei von Natur aus böse. Hundewelpen kämen genau so unschuldig zur Welt wie Menschenbabys. Was aus ihnen werde, liege in der Hand der Menschen, die sie erzögen. Eine weitere Leserin bezeichnet den Vorgang um das kleine Mädchen als „fürchterlich“, prangert jedoch die öffentliche Aufforderung zur Selbstjustiz an. Nicht die Hunde, sondern die Halter seien schuld an solchen Vorfällen. Sie stellt die Frage, ob man nach dem Aufruf des Journalisten auch den Hundehalter erschießen dürfe, da dieser doch für das Verhalten seines Hundes verantwortlich sei. Ein anderer Beschwerdeführer kritisiert die Aussage im Artikel, die Halter bestimmter Hunderassen seien „pervers“. Züchter und Halter würden dadurch in ihrer Ehre verletzt. Ein weiterer Beschwerdeführer sieht in dem Artikel einen Aufruf zu einer kriminellen Handlung. In sensationslüsterner Weise würden die Gemüter angeheizt. Die Schlussfolgerung, Pitbull-Terrier seien immer gefährlich, sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Die Aussage, Kampfhund-Halter seien pervers, ist nach Auffassung einer weiteren Beschwerdeführerin ehrverletzend und beleidigend. Der Chefredakteur und Autor sieht die Beschwerden als Folge eines „Sprachproblems“ an. Er befürworte keineswegs, Kampfhunde zu erschießen. Er habe lediglich geschrieben, dass er Verständnis für jemanden habe, der ein solches Tier töte. Darin liege der „kleine, feine Unterschied“. Zur Erläuterung fügt er ein Beispiel an: Er habe etwa Verständnis dafür, wenn eine Frau ihren Mann erschieße, der sie über Jahre hinweg gequält und geschlagen habe. Das bedeute aber nicht, dass er Frauen auffordere, ihre schlagenden Männer zu erschießen. Abschließend betont der Chefredakteur erneut, dass er keinerlei Verständnis für eine Regierung habe, die die Züchtung von Kampfhunden toleriere und dadurch Menschenleben gefährde. (2008)