Umfrage: Aus „Berlin“ „Potsdam“ gemacht
Jugendliche hatten sich zu Landtagsneubau gar nicht geäußert
„Nostalgie? Ja, bitte!“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über die Haltung von Jugendlichen zum Parlamentsneubau in der Landeshauptstadt Potsdam. Erwähnt wird eine Umfrage von Infratest-Dimap, nach der 68 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren sich einen Neubau in Form des historischen Stadtschlosses wünschen. Fünf junge Leute kommen zu Wort, die sich für einen „historischen Neubau“ aussprechen. In der Unterzeile zum Beitrag heißt es: „Jugendliche fordern Rekonstruktion nach historischem Vorbild“. Ein Leser der Zeitung wendet sich an die Redaktion und an Infratest und bittet um genauere Angaben zur Umfrage. Die Redaktion meldet sich nicht. Allerdings erscheint kurz darauf ein weiterer Beitrag unter der Überschrift „Kontroverse Diskussion“. Darin wird mitgeteilt, dass sich im November 2006 eine Mehrheit der befragten 18- bis 24-Jährigen in einer Umfrage für den Neubau des Landtags auf dem Gelände des Stadtschlosses ausgesprochen hätte. Von Infratest erfährt der Beschwerdeführer, dass man dort keine entsprechende Umfrage finden könne. Die Redaktion habe Infratest gegenüber von einer Verwechslung mit einer Umfrage zum Berliner Stadtschloss gesprochen. Es gebe die in der Zeit veröffentlichten Umfrageergebnisse nicht. Der Beschwerdeführer sieht eine falsche und manipulierte Berichterstattung. Die Zeitung und hier besonders der Autor der Beiträge seien Befürworter des Stadtschloss-Nachbaus nach historischem Vorbild. Der erste Beitrag sei am Tag der Entscheidung über den Bau erschienen und sollte die Jury beeinflussen, die über Entwürfe zum Neubau befinden sollte. Der Autor habe sich schon früher für den Neubau in seinem Sinne ausgesprochen und sei politisch aktiv in dieser Sache tätig. Hier würden persönliche politische Interessen mit journalistischer Tätigkeit verquickt. Die Zeitung informiere auch nicht über Details der angeblichen Umfrage. Der später veröffentlichte Artikel sei keine Richtigstellung, so der Beschwerdeführer abschließend, da er nicht auf den ersten Bericht Bezug genommen habe. Der Chefredakteur weist den Vorwurf der Manipulation zurück. Der beanstandete Text erhebe nicht den Anspruch, eine repräsentative Umfrage wiederzugeben. Auslöser der Beschwerde sei ein Redigierfehler gewesen. Die Jugendlichen hätten – so stand es im Urtext – im Trend gelegen. Dabei habe sich der Autor jedoch auf eine Umfrage zum Berliner Stadtschloss bezogen. Die mit den örtlichen Gegebenheiten noch nicht so vertraute Volontärin, die den Beitrag druckfertig gemacht habe, habe „Berlin“ für einen Fehler gehalten und ohne Rücksprache „Potsdam“ daraus gemacht. (2009)