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Harte Reaktionen auf unkonventionellen Vorschlag

CDU-Fraktion: Verzicht auf Castor-Proteste, Geld in die Bildung

Eine Lokalzeitung berichtet mehrmals über Aktivitäten der CDU-Kreistagsfraktion. Diese hatte vorgeschlagen, die Atom-Transport-Gegner im Landkreis sollten der Landesregierung vor dem nächsten Castor-Transport anbieten, auf Proteste zu verzichten. Das dadurch eingesparte Geld für Polizeieinsätze solle in den Landkreis fließen und für Bildung verwendet werden. Pro Transport könnten rund 20 Millionen Euro eingespart werden. Unter der Überschrift „Politische Zockerei“ veröffentlicht das Blatt einen Kommentar, in dem die Autorin den Vorschlag der CDU als „unmoralisches“ Angebot“ und undemokratisch bezeichnet. Sie spricht von der „Verhökerung von Grundrechten“ In der CDU-Kreistagsfraktion säßen „politische Zocker“, die sich an einer „politischen Erpressung“ beteiligten. Das Thema kocht immer mehr hoch, was in mehreren Beiträgen zum Ausdruck kommt. Gegenstand der Beschwerde der CDU-Fraktion ist vor allem ein Leserbrief mit dem Titel „Ungebildet und unchristlich“. Darin bezeichnet der Einsender die Mitglieder der Fraktion als Menschen, die „nicht einmal einen Volksschulbildungsstand erreicht“ hätten. Eine Landtagsabgeordnete wird in dem Leserbrief als „Landtagsgrinserin“ bezeichnet, „die auch weitaus geringere Kenntnisse als ein Schüler mit Volksschulabschluss über den Salzstock Gorleben“ habe. Die CDU solle sich doch einen neuen Namen geben, nämlich „FUUU (Feige, Ungebildete, Unchristliche Union)“. Der Beschwerdeführer, der sich für die Fraktion äußert, hält den Vorwurf der politischen Erpressung und des Verhökerns von Grundrechten, insbesondere das der Versammlungsfreiheit, für beleidigend. Das treffe für den Leserbrief ebenfalls zu. Er spricht von übler Nachrede und um die Verleumdung von Personen des öffentlichen Lebens. Ehre und Würde der Betroffenen seien verletzt worden. Informationen seien nicht nur unangemessen, sondern auch entstellt dargestellt worden. Die CDU des Kreises werde im politischen Wettbewerb erheblich benachteiligt. Im Vorverfahren wurde entschieden, dass sich der Presserat ausschließlich mit dem Leserbrief „Ungebildet und unchristlich“ befassen wird. Die übrigen in der Zeitung erschienenen Beiträge waren presseethisch nicht zu beanstanden, so dass die Beschwerde, was diesen Teil der Berichterstattung angeht, unbegründet war. Die Redaktionsleitung beschränkt sich bei ihrer Reaktion auf den kritisierten Leserbrief. Sie bedauert, dass sich der Beschwerdeführer und die Mitglieder seiner Fraktion in Ehre und Würde verletzt fühlten, doch habe der Verfasser des Leserbriefes nach ihrer Auffassung die Grenze zur Beleidigung nicht überschritten, auch wenn er seine Kritik hart und polemisch formuliert habe. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei höherwertig einzustufen als die dadurch möglicherweise berührten Persönlichkeitsrechte der angegriffenen Mandatsträger. (2008)