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Sex-Vorwürfe: Bürgermeister muss zittern

Der Fall war auch ohne Zutun der Redaktion Gesprächsthema

Heute müsse der Bürgermeister zittern, schreibt eine Lokalzeitung. Anlass ist die bevorstehende Sitzung des städtischen Hauptausschusses. Dort muss das Stadtoberhaupt zu Vorwürfen Stellung nehmen, er habe einen Handel mit Sex-Artikeln im Internet-Auktionshaus Ebay mit seiner Tätigkeit als Bürgermeister verknüpft. Er soll seine Ebay-Profil-Seite mit der offiziellen Homepage der Stadt verknüpft haben. Zum Beitrag gehört ein Bild. Es zeigt das Ebay-Logo. Die Bildunterschrift lautet: „Im Internet-Auktionshaus Ebay kaufte oder verkaufte (…) mehr als 1800 Sex-Artikel“. Der Bürgermeister ist Beschwerdeführer. Er sieht einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex, da er sich in seiner Menschenwürde verletzt fühlt. Wer wo etwas kaufe, gehe niemanden etwas an. Er kritisiert auch einen Verstoß gegen Ziffer 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht), denn er habe nicht mit 1800 Sex-Artikeln gehandelt. Weiter sieht er seine Intimsphäre verletzt. In der Aussage „Jagd nach Sex-Artikeln“ sieht er eine ehrverletzende Behauptung. Schließlich verstoße die Zeitung gegen die in Ziffer 13 definierte Unschuldsvermutung. Er werde in der Formulierung „1800 Mal Sex-Artikel gekauft oder verkauft“ vorab verurteilt. Die Redaktion berichtet, die geschilderten Vorwürfe seien in der Hauptausschusssitzung und später gegenüber der Zeitung von Lokalpolitikern erhoben worden. Der Bürgermeister stehe unter dem Verdacht, er treibe im Internet Handel mit pornografischen Artikeln und verknüpfe seine private Tätigkeit mit seinem Amt und der Stadt. Ohne Zutun der Redaktion sei das Thema in der Stadt diskutiert worden und aus der Privatsphäre des Bürgermeisters längst heraus gewesen. Nach Ansicht der Zeitung liege ein erhebliches öffentliches Interesse an der Berichterstattung vor, wenn ein Bürgermeister von Politikern aller Parteien in der Öffentlichkeit in Frage gestellt werde. Der Bürgermeister sei als Träger eines öffentlichen Amtes eine Person der Zeitgeschichte. Seine Privatsphäre sei deshalb nur eingeschränkt schutzbedürftig. Erst recht gelte dies bei der Frage, ob der Träger eines öffentlichen Amtes Mindestanforderungen an Wertvorstellungen einhalte. (2008)