„Gefühlte“ Kriminalität zum Thema gemacht
Nationalität eines kranken Täters darf nicht genannt werden
„Eine Grenzregion fühlt gegen die Minister-Statistik“ titelt eine Regionalzeitung. Im Beitrag geht es um das Gefühl der Anwohner im Grenzgebiet zu Tschechien, dass die Zahl der Diebstähle und der Einbrüche seit der Grenzöffnung gestiegen sei. In der Unterzeile heißt es: „Die Kriminalität, das Erzgebirge und die Tschechen“. Im Text steht u. a.: „(…) ist unklar, ob die Täter Tschechen oder Trittbrettfahrer waren“. Die Zeitung berichtet über einen Autodiebstahl. Dabei wird von „zwei tatverdächtigen Tschechen“ gesprochen. Neben diesem Beitrag steht eine Kurznachricht mit der Überschrift „Gutachter: Tscheche ist schuldunfähig“. Dabei geht es um einen Strafprozess, bei dem ein Gutachter ausgesagt habe, dass der mutmaßlich Täter, ein Tscheche, schizophren sei und damit schuldunfähig. In dem Fall war es um den brutalen Überfall auf eine 79-jährige Frau gegangen. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung, moniert, die Zeitung schreibe von tschechischen Tätern, obwohl im Artikel erwähnt werde, dass es unklar sei, wer die Täter seien. Laut Chefredaktion ging es bei der Berichterstattung nicht darum, den mutmaßlichen Verantwortlichen einer schweren Straftat zu diskriminieren. Seine Staatsbürgerschaft sei vielmehr erwähnt worden, weil dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs wichtig gewesen sei. Der Tatort befinde sich nämlich in unmittelbarer Nähe zur Grenze. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen in diesem Gebiet hätte die Zahl der Straftaten auf der deutschen Seite zugenommen. Die Polizei warne immer davor, diese Straftaten ohne Beweise tschechischen oder anderen osteuropäischen Bürgern zuzuschreiben. Dies habe die Zeitung in ihrer Berichterstattung auch berücksichtigt. Wenn jedoch ein Verbrechen wie im Fall der alten Dame geschehe und der auf frischer Tat ertappte Täter ein Tscheche sei, so sei dies für das Verständnis des berichteten Vorganges wichtig. Die Berichterstattung über das Verbrechen und die anschließende Gerichtsverhandlung – so die Chefredaktion abschließend – sei in jeder Hinsicht sachgerecht und von journalistischer Sorgfalt geprägt gewesen. (2009)