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Vorverurteilung

Schulleiter in der Überschrift als “Busen-Grapscher” bezeichnet

Unter der Überschrift “Unser Lehrer, der Busen-Grapscher !” berichtet eine Boulevardzeitung auf ihrer Titelseite und in ihrem Innenteil über die Vorwürfe gegen einen Schulleiter wegen möglicher sexueller Belästigung einer Schülerin. In der Unterzeile wird eine 15-Jährige zitiert: “Es passierte auf dem Schulflur”. Nach Aussagen eines Justizsprechers soll der Lehrer mit der flachen Hand über die Brust der Schülerin gestreichelt haben. Nach Aussagen der Sprecherin der Schulverwaltung sei der Pädagoge inzwischen in die Erwachsenenbildung versetzt worden. Die Zeitung berichtet über die Reaktionen der Schüler und fragt “Wahrheit oder Hexenjagd ?” Der Veröffentlichung beigestellt sind zwei gepixelte Fotos des Mannes. Es werden sein Vorname, der Anfangsbuchstabe seines Nachnamens und sein Alter genannt. Der Mann wird als Kumpeltyp mit Drei-Tage-Bart beschrieben. Auch die betroffene Schule wird angegeben. Die Namen der betroffenen und der zitierten Schüler sind geändert, Bilder zitierter Schüler sind gepixelt. Nach Ansicht des zuständigen Senators für Bildung, Jugend und Sport verstößt die Berichterstattung gegen das Persönlichkeitsrecht des Lehrers. Deshalb legt die Senatsverwaltung Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Der Betroffene werde so abgebildet und charakterisiert, dass er jederzeit zu identifizieren sei. Weiter werde suggeriert, dass er die ihm vorgeworfene Tat tatsächlich begangen habe. Die Chefredaktion des Blattes ist der Ansicht, dass der Betroffene durch die Veröffentlichung nicht erkennbar werde. Sein Foto sei gepixelt und sein Name werde abgekürzt, so dass er anonym bleibe. Auch eine Vorverurteilung liege nicht vor. In dem Artikel sei durchgängig von einem Verdacht die Rede. Selbst in der Überschrift werde lediglich von schweren Vorwürfen gegen ihn berichtet. Die Headline stelle eine boulevardmäßige Zuspitzung dar, die den Sachverhalt aus der Perspektive des betroffenen Mädchens knapp anreiße. An keiner Stelle werde es als Gewissheit dargestellt, was nach dem Stand der Ermittlungen lediglich ein Verdacht sei. (2004)