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Vorverurteilung

Nicht abschließend geklärte Vorgänge als Tatsachen dargestellt

„Alles nur wegen eines Springbrunnens – Ekel-Überfall“ steht über einem Bericht, den eine Boulevardzeitung veröffentlicht. Es geht um den Angriff eines früheren Justizvollzugsbeamten und seiner Frau gegen eine Nachbarin. Mit der Formulierung „Ex-Knastwärter betäubte Nachbarin und beschmierte die ganze Wohnung mit Sch…“ wird der Angriff als tatsächlich geschehen dargestellt. Im Text wird erläutert, dass Auslöser für den Zwischenfall die Geräuschbelästigung durch einen Springbrunnen der Nachbarin gewesen sein soll. Nach der Aussage der Nachbarin sei sie durch das Ehepaar mit einer Flüssigkeit betäubt worden. Nach dem Erwachen habe sie feststellen müssen, dass ihre Wohnung vollkommen mit Exkrementen verdreckt gewesen sei. Das beschuldigte Ehepaar nimmt sich einen Anwalt, zieht vor Gericht und wendet sich auch an den Deutschen Presserat. Mittlerweile habe ein Strafverfahren stattgefunden, das mit einem Freispruch vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung geendet habe. (Anmerkung: Der Tatbestand der Sachbeschädigung war nicht Gegenstand der Anklage.). Das Ehepaar sieht in der Berichterstattung eine Vorverurteilung. Insbesondere in der Überschrift habe die Zeitung ohne jegliche Einschränkung eine Formulierung gewählt, dass der Beschwerdeführer die Nachbarin betäubt und beschmiert habe. Der Text des Artikels sei eine Mischung aus zulässiger und unzulässiger Berichterstattung, da teilweise zutreffend auf die Vermutungen der Ermittler abgestellt, teilweise jedoch wahrheitswidrig und vorverurteilend berichtet werde. Darüber hinaus verletze die Zeitung die Persönlichkeitsrechte der beiden Eheleute. Die Nennung der kompletten Vornamen, des Anfangsbuchstaben des Familiennamens und des Berufs des heutigen Ruheständlers mache die Eheleute für ihr engeres Umfeld leicht identifizierbar. Die Rechtsabteilung der Zeitung meint, der Artikel habe zum Zeitpunkt der Berichterstattung der aktuellen Verfahrenslage entsprochen. Der in der Anklageschrift zugrunde gelegte Sachverhalt werde auch weiterhin für richtig gehalten. Der Freispruch des Ehepaares sei einzig darauf zurück zu führen, dass die Überfallene wegen der Identität der Täter verunsichert worden sei. Danach sei nicht mehr sicher gewesen, ob die Eheleute oder andere die Tat begangen hätten. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei jedoch der ursprüngliche Sachverhalt, wie von der Zeitung dargestellt, auch für Staatsanwaltschaft und Gericht klar gewesen. Der Freispruch hätte sich erst nach der Berichterstattung ergeben. (2002)