„Hartz IV-Empfänger moralisch herabgesetzt“
Zeitung bringt Serie zum Thema und spricht von häufiger Abzocke
Eine Großstadtzeitung kündigt auf ihrer Titelseite unter der Überschrift „Ein Berliner Richter packt aus – So dreist wird bei Hartz IV abgezockt“ ein Interview im Innern des Blatts an. Dort kommt ein Richter des Berliner Sozialgerichts zu Wort. Am Ende des wiedergegebenen Gesprächs gibt es einen kurzen Schlenker zu zwei, drei Abzocker-Fällen bei Hartz IV, doch der größte Teil des Interviews beschäftigt sich nicht mit dem Thema Abzocke, sondern vielmehr mit den Hintergründen zu der Vielzahl an Klagen von Hartz IV-Empfängern in der Hauptstadt. Ein Leser der Zeitung ist der Auffassung, dass der Aufmacher im Zusammenhang mit dem Satz „… Richter packt aus“ den Eindruck erwecke, als würden sich viele der nach ALG II potenziell berechtigten Personen durch unzutreffende Angaben ungerechtfertigt Leistungen nach Hartz IV beschaffen. Durch das Wort „Abzocke“ werde unterstellt, dass Antragsteller die Agentur für Arbeit auf betrügerische Art zu Auszahlungen veranlassen wollten. Der Beitrag auf der Titelseite diskreditiere die Personen, die auf soziale Unterstützung des Staates angewiesen seien. Insgesamt setze die Zeitung Hartz IV-Empfänger moralisch herab. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass in dem Interview klargestellt werde, dass die Ausnutzung von Hartz IV die Ausnahme sei. Die Chefredaktion der Zeitung weist darauf hin, dass das beanstandete Interview Teil einer Serie zum Thema gewesen sei. In deren Verlauf seien neben dem Sozialrichter unter anderen auch ein Arbeitsvermittler, ein Politiker, Betroffene, Kleinverdiener und auch normale Steuerzahler zu Wort gekommen. Insbesondere letztere hätten kein Verständnis für die geschilderten Missbrauchsfälle geäußert, wobei es auf der Hand liege, dass deren Meinungsäußerungen nicht repräsentativ sein könnten. Dass die Überschrift auf der Titelseite sich mit dem konkreten Beitrag nicht decke, ändere nichts daran, dass die Überschrift die ganze Serie umfasse und krasse Missbrauchsfälle in anderen Folgen zur Sprache gebracht worden seien. Es liege der Zeitung fern, größere Teile der Bevölkerung, die in persönlicher und finanzieller Not seien, auszugrenzen oder gar an den Pranger zu stellen. (2010)