Die Online-Ausgabe und der „handfeste Skandal“
Redaktion missachtet den Grundsatz der Unschuldsvermutung
Maßnahmen einer Großstadt gegen Korruption in den eigenen Reihen sind Thema in einer Regionalzeitung. Mehrere Korruptionsfälle werden geschildert. Einer betrifft die Leiterin des Bereichs Einkauf. Diese – so die Redaktion – habe die Kreditkarte der Stadt für private Einkäufe verwendet. Von einem „handfesten“ Skandal ist die Rede. Die Frau stehe „anscheinend“ noch auf der Gehaltsliste der Stadt. Die Angegriffene wehrt sich mit einer Beschwerde beim Presserat. Sie spricht von Aufbauschung, wenn die Zeitung von einem „handfesten Skandal“ spreche. Sie mische sich in ein laufendes Verfahren ein, in dem ihr Verhalten bewertet werde. Insgesamt sei die Berichterstattung undifferenziert. Mit ihr selbst habe die Redaktion nicht gesprochen. Unsachlich sei auch die Anmerkung, sie stehe weiterhin auf der Gehaltsliste der Stadt. Das Justiziariat der Zeitung stellt fest, dass sich die kritisierte Berichterstattung nur am Rande und im Verhältnis zum Gesamtbeitrag in äußerst geringem Umfang auf die Beschwerdeführerin beziehe. Es würden nur wenige Tatsachen mitgeteilt. Eine Identifizierung der Frau für weite Kreise der Leserschaft werde dadurch verhindert, dass ihr Name nicht genannt worden sei. Der Artikel – so die Rechtsvertretung weiter – sei aus aktuellem Anlass entstanden. Fälle der Korruption und der Veruntreuung, wie sie in jüngster Zeit in drei Fällen aufgefallen seien, seien bei der Stadt Thema gewesen. Es sei darum gegangen, solchen Vorkommnissen künftig wirksam entgegenzuwirken. Zum Verständnis der Hintergründe sei die Redaktion auf drei bekannt gewordene Fälle eingegangen. Die Beschwerdeführerin rüge im Übrigen nicht den Wahrheitsgehalt der Berichterstattung.