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Veröffentlichung war sogar erwünscht

Zeitung zeigt Fotos der Amoklauf-Opfer und nennt deren Namen

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über den Amoklauf von Newtown (US-Bundesstaat Connecticut) unter der Überschrift: „Das sind die Opfer des Wahnsinns-Killers“. Der Schwerpunkt der Berichterstattung liegt bei den Opfern des Verbrechens. Die Zeitung nennt sie beim Namen und berichtet, wo und wie sie in der Schule gestorben sind. Zum Beitrag gehört eine Bildergalerie mit Fotos der toten Kinder. Vor- und Nachnamen werden genannt. Die Zeitung berichtet auch über den Täter und die Hintergründe der Tat. Eingeklinkt in den Text ist ein Foto des Täters. Ein Leser der Zeitung kritisiert die identifizierende Darstellung von insgesamt 13 Opfern des Amoklaufes. Er hält die Wiedergabe der Vor- und Nachnamen für presseethisch nicht vertretbar. Seine Kritik richtet sich nicht nur gegen die Darstellung der Opfer, sondern auch auf jene des Täters. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, dass die kritisierten Fotos von den engsten Angehörigen der Opfer den Medien zur Verfügung gestellt worden seien. Eine Veröffentlichung des Materials sei ausdrücklich gestattet, ja sogar erwünscht gewesen. Unbestritten sei das überragende öffentliche Informationsinteresse an dem Amoklauf von Newtown. Der Umgang mit Opfern sei in Ziffer 8, Richtlinie 8.1, klar geregelt. Ausnahmen könnten bei Personen der Zeitgeschichte oder bei besonderen Umständen gerechtfertigt sein. Diese Ausnahmen seien im Fall Newtown gegeben. Die von den Nachrichtenagenturen verbreiteten Fotos hätten den Vermerk „Provided by the family“ getragen. Die Redaktion habe darauf geachtet, dass nur Fotos mit diesem Hinweis veröffentlicht worden seien. Die betroffenen Familien seien nicht nur mit den Veröffentlichungen von Fotos und Namen einverstanden gewesen, sondern hätten vielmehr sogar gewollt, dass die Welt Anteil an ihrem Schicksal nehme. Über den Amokläufer durfte nach Meinung der Zeitung identifizierend berichtet werden, da er durch die Tat zweifellos zu einer Person der Zeitgeschichte geworden sei.