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Reisebüro-Inhaber unter Betrugsverdacht

Redaktion hält die Vorgaben der Unschuldsvermutung nicht durch

Unter dem Titel „Urlaub endet am Flughafen“ berichtet eine Regionalzeitung über ein Reisebüro, dessen Inhaber Kunden betrogen haben soll. Die Polizei teilt lediglich mit, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Der Artikel ist mit einem Foto des Reisebüros illustriert, das nach Angaben der Redaktion einem Griechen gehört. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass in einem frühen Ermittlungsstadium wie in diesem Fall eine identifizierende Berichterstattung nicht in Ordnung sei. Bislang gebe es lediglich einen Verdacht gegen den Inhaber des Reisebüros. Auch sei der Hinweis auf seine Staatsangehörigkeit nicht erforderlich gewesen. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Ziffer 13 des Pressekodex (Unschuldsvermutung) zurück. Im Beitrag werde deutlich, dass lediglich der Verdacht eines Betruges bestehe, der Betroffene aber nicht rechtskräftig verurteilt sei. Der Autor des Artikels habe, da mehrere Strafanzeigen von Geschädigten vorlägen, die Schwere des strafrechtlichen Vorwurfs und das Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung gegeneinander abgewogen. Er sei letztendlich zu der Überzeugung gelangt, dass das Interesse an der Berichterstattung überwiege. Die griechische Staatsangehörigkeit des Verdächtigen sei erwähnt worden, weil sie wegen der Begleitumstände des Falles von Bedeutung sei. Der Geschäftsmann lebe seit vielen Jahren in Deutschland. Er habe dann aber nach eigenen Angaben einen Landsmann kennengelernt, dem er „aus dem Bauch heraus“ vielleicht mehr vertraut habe, als das bei einer anderen Person der Fall gewesen wäre. Viele der mutmaßlich geschädigten Kunden seien ebenfalls Griechen gewesen. Der Autor habe vor der Veröffentlichung vergeblich versucht, mit dem Verdächtigen in Kontakt zu treten. Erst nach Erscheinen des Artikels habe sich der Mann bei ihm gemeldet. Das folgende Gespräch sei höflich und respektvoll gewesen. Auf der Basis dieses Treffens und des Gesprächsinhalts sei dann ein weiterer Artikel erschienen, den er – der stellvertretende Chefredakteur – seiner Stellungnahme beifüge.