Schweres Geschütz gegen Bürgermeisterin
Zeitung druckt zwei anonyme Leseräußerungen aus dem Netz ab
Unter der Überschrift „Mit der Erfüllung ihres Amtes überfordert“ veröffentlicht eine Lokalzeitung einen Beitrag mit zwei Leseräußerungen. Thema ist unter anderem die jüngste Stadtratssitzung. Im Vorspann erläutert die Redaktion, dass es sich hier um Meinungen aus der Online-Diskussion der Zeitung handelt. Zitiert werden zwei nur durch abgekürzte Namen bzw. Nicknamen gekennzeichnete Leser, die die Bürgermeisterin scharf kritisieren. Sie wirke wie der Totengräber der Stadt und sei mit der Erfüllung ihres Amtes überfordert. Um noch größeren Schaden vom Gemeinwesen abzuwenden, solle sie zurücktreten. Mehrere Leser beschweren sich über die Berichterstattung der Zeitung im Allgemeinen. Der Leser im vorliegenden Fall kritisiert, dass die Redaktion anonyme Online-Kommentare in der Print-Ausgabe veröffentliche, die nicht die Voraussetzungen eines Leserbriefes nach Ziffer 2, Richtlinie 2.6, des Pressekodex erfüllten. Der Leser erfahre nicht, wer hinter den Pseudonymen „G. K.“ und „Andy S.“ stehe. Damit werde der Leser getäuscht. Der Chefredakteur der Zeitung stellt klar, dass es nicht Stil des Blattes sei, Blog-Beiträge abzudrucken, die anonyme Diffamierungen enthalten. Er habe sich deshalb bei der Bürgermeisterin ausdrücklich entschuldigt. Eine Richtlinie, mit der derartige Vorfälle künftig vermieden werden sollen, habe er gemeinsam mit der Redaktion erarbeitet. Blog-Beiträge sollen demnach künftig nur noch in Ausnahmefällen abgedruckt werden. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn die Redaktion den Verlauf einer Online-Diskussion illustrieren wolle. Die Beiträge sollen grafisch abgehoben und mit einem einleitenden Erläuterungstext versehen werden, der auf die typischen Formen der Online-Kommunikation (Nicknamen etc.) verweise. Davon ausgeschlossen seien jedoch persönliche Angriffe und Auseinandersetzungen. (2010)