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Fotogalerie verletzt Persönlichkeitsrechte

Viele Beschwerden zur Berichterstattung über Flug MH17

„Stoppt Putin jetzt!“ lautet die Überschrift auf dem Titel eines Nachrichtenmagazins. Die Seite enthält eine aus 50 Bildern bestehende Fotogalerie von Opfern der MH17-Katastrophe. Unter jedem Bild steht der Anfangsbuchstabe des Vornamens, der Nachname und als Todestag der 17. Juli 2014. Im Innern des Heftes berichtet das Magazin unter der Überschrift „Spätes Erwachen“ über die Katastrophe. Textpassage: „Es musste eine Boeing mit fast 300 Menschen an Bord abgeschossen werden, ehe die EU-Staaten zu ersten echten Wirtschaftssanktionen gegen Russland fanden“. Wie man mittlerweile so gut wie sicher wisse, sei Flug MH17 mit Raketen aus russischen Beständen abgeschossen worden. Diese wären ohne Putins Billigung wohl kaum in die Ukraine gelangt. Bislang habe Russlands Präsident eine direkte militärische Einmischung in der Ukraine vermieden. Er habe jedoch schweres Militärgerät über die Grenze zur Ukraine rollen lassen, nachdem die ukrainische Zentralregierung eine mehrtägige Waffenruhe ausgerufen habe. Mit den Luftabwehrraketen hätten die Separatisten den militärisch wichtigsten Vorteil der ukrainischen Armee ausgeglichen, die Luftüberlegenheit. Mehr als ein Dutzend Maschinen sei abgeschossen worden. Insgesamt 19 Beschwerden wenden sich gegen die Titelgeschichte. Zwölf Leser kritisieren dabei ausschließlich die Aufmachung der Titelseite. Sechs weitere richten sich gegen das Cover und die dazugehörigen Artikel. Einer beanstandet ausschließlich die Berichterstattung im Heft. Die Mehrheit der Beschwerdeführer kritisiert eine Instrumentalisierung der Opfer-Fotos auf dem Titel, um Stimmung gegen Russland und dessen Präsidenten zu machen bzw. für Sanktionen zu werben. Mehrere Leser des Magazins sehen eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Opfer durch die Fotos. Schließlich sind einige der Meinung, Russland und Putin würden durch die Veröffentlichung vorverurteilt, ohne dass Beweise für die Ursache der MH17-Katastrophe vorlägen. Die Rechtsvertretung des Magazins widerspricht den Beschwerdeführern und ist sicher, dass die Redaktion umfassend, ausgewogen und wahrheitsgemäß berichtet habe. Zum Vorwurf, die Persönlichkeitsrechte der Opfer verletzt zu haben, erklärt das Magazin, auch vier Wochen nach der Veröffentlichung habe sich noch kein Opfer-Angehöriger an die Redaktion gewandt und eine Verletzung seiner Gefühle gerügt. Die Rechtsabteilung erklärt, ihr sei bewusst, dass der Presserat die Veröffentlichung von „Opfergalerien“ als Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Toten ansehe. Sie regt an, der Presserat möge seine Einschätzung gut be- und überdenken. Die Redaktion habe sich ausschließlich ohne irgendein Zugangshindernis öffentlicher Quellen bedient. Deshalb könnte die Veröffentlichung von Namen und Fotos aus der von den Opfern selbst gewählten Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre nach herkömmlichen Maßstäben auch nicht ansatzweise als Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte angesehen werden.