Zu viel Viagra kann einen Infarkt auslösen
Boulevardzeitung berichtet identifizierend über Bordell-Besucher
Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Brummifahrer tot im Bordell“ über einen Lastwagenfahrer, der zu viel Viagra genommen hatte und im Bett einer Prostituierten starb. Über den Mann schreibt die Zeitung, dass er Reiner H. heißt, 55 Jahre alt wurde und aus […] in Sachsen-Anhalt stammt. Dieser Beitrag erschien auf der Titelseite. Die Berichterstattung wurde im Innenteil unter der Überschrift „Als diese Hure sich auszog, kippte der Trucker um“ fortgesetzt. Der Beitrag ist mit einem Bild von Reiner H. illustriert. Seine Augenpartie ist mit einem schwarzen Balken überdeckt. Ein Leser sieht in der Berichterstattung die Ziffer 11 des Pressekodex verletzt. Danach verzichtet die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Er sieht zudem die Würde des Verstorbenen missachtet. Unter dem Vorwand, auf die Gefahren von Viagra hinzuweisen, werde der Verstorbene zu einem Objekt herabgewürdigt. In der Vorprüfung erweitert der Presserat das Verfahren auf die Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte). Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe zunächst von einem „nicht natürlichen Todesfall eines 55-jährigen Mannes“ in einem stadtbekannten Bordell erfahren. Auf Nachfrage habe die Polizei eine Straftat ausgeschlossen. Wegen des fehlenden öffentlichen Interesses habe man zunächst auf eine Berichterstattung verzichtet. Zwei Tage später habe der Notarzt die Redaktion informiert, dass die Todesursache „Herzinfarkt, ausgelöst durch missbräuchliche Verwendung von Viagra“, gewesen sei. Daraufhin habe sich die Redaktion entschlossen, doch über den Fall zu berichten, um auf die Gefahren missbräuchlicher Verwendung von Potenzmitteln hinzuweisen. Wie richtig diese Entscheidung gewesen sei, belege das Schreiben des Viagra-Herstellers an die Redaktion. Der Pharma-Konzern habe den Todesfall als „Verdachtsfall einer unerwünschten Arzneinebenwirkung“ verzeichnet und bitte um weitere Informationen. Anders als vom Beschwerdeführer behauptet, sei der Hinweis auf die Schädlichkeit von Viagra in der Berichterstattung also nicht vorgeschoben, sondern vielmehr Kern der Berichterstattung. Dies ergebe sich bereits aus der Dachzeile „Zu viel Viagra“ sowie aus dem Info-Kasten „Wie gefährlich ist Viagra?“. Es bestehe somit ein öffentliches Interesse an dem Vorgang. (2010)