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Mathematischer „Todeskuss“ an der Uni

Auf Studierenden-Aussagen gestützt und nicht die Betroffene befragt

Eine Gewerkschaftszeitschrift berichtet über eine Klausur zur Vorlesung „Einführung in die Mathematik“ für Lehramtsstudenten an der örtlichen Universität. Unter der Überschrift „Todeskuss. Ein Lehrstück über missverstandene Lehre“ wird berichtet, dass etwa 500 Studierende die Vorlesung besucht, etwa 400 an der Klausur teilgenommen, aber nur 21 die Klausur bestanden hätten. Für die 380 anderen verlängere sich das Studium um ein ganzes Jahr, da die „Einführung in die Mathematik“ nur im Wintersemester angeboten worden sei. Der Auftrag, Begeisterung für die Mathematik zu erwecken und in die Mathematik einzuführen, sei von der namentlich genannten Gastdozentin „gründlich pervertiert“ worden. Er sei, so die Zeitschrift, zu einer „Publikumsbeschimpfung mit anschließendem Vollzug der eigenen Prophezeiung“ geworden. Studierende seien öffentlich gedemütigt worden. Sie hätten sich mit einer E-Mail an die Dozentin gewandt. Statt auf deren Inhalt einzugehen, habe diese jedoch orthografische Fehler seziert. Die Studierenden seien „pauschal und arrogant abqualifiziert“ worden. Dabei habe die Dozentin den Begriff „Niveau einer 4. Grundschulklasse“ verwendet. Das Anforderungsniveau der Übungen – so die Sicht der Studierenden – habe bei weitem die Anforderungen einer „Einführung“ übertroffen. Die im Beitrag der Zeitschrift angegriffene Dozentin ist in diesem Fall die Beschwerdeführerin, nach deren Einschätzung der Beitrag mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Sie nennt die genannten Zahlen weit übertrieben. Das Zitat vom Grundschulklassenniveau sei von ihr nicht verwendet worden. Die Wissenschaftlerin wehrt sich gegen den Vorwurf, „pauschal und arrogant“ agiert und den Auftrag, Begeisterung für die Mathematik zu wecken, „gründlich pervertiert“ zu haben. Die Aussagen des Autors, dass sich für die 380 Durchfaller das Studium um ein ganzes Jahr verlängere und das Niveau der Übungen die Anforderungen einer „Einführung“ übertroffen habe, seien falsch. Die Dozentin sieht wegen der Nennung ihres vollen Namens und ihrer Heimatuniversität ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Autor des kritisierten Artikels teilt mit, ihm sei es nicht um eine persönliche Diffamierung der Beschwerdeführerin oder eine Infragestellung ihrer allgemeinen fachlichen mathematischen Qualifizierung gegangen. Die zugespitzte Kritik habe sich einerseits gegen die Philosophie der Lehrerausbildung an der mathematischen Fakultät der Universität und andererseits, wenn auch nicht vorrangig, gegen deren spezifische Interpretation durch die Beschwerdeführerin gerichtet. Der Autor räumt ein, dass er die Betroffene vor der Veröffentlichung nicht kontaktiert habe. Er habe sich auf die Äußerungen von betroffenen Studierenden gestützt.