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Traumatisiertes Kind unverfremdet gezeigt

Neunjähriger war der einzige Überlebende eines Flugzeugunglücks

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über den einzigen Überlebenden eines Flugzeugabsturzes. Der neunjährige Junge habe nun erfahren, dass seine Eltern tot seien. Er wolle nach Hause. Eine Fotostrecke zeigt das verletzte Kind in seinem Krankenhausbett. Eine Nutzerin des Internet-Portals sieht in der Abbildung des Jungen einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Fotos eines schwer verletzten und gerade verwaisten Kindes verletze dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Schutz der Jugend. Sie hält es für ethisch nicht vertretbar, das schwer traumatisierte Kind ohne Verfremdung zu zeigen. Die Rechtsabteilung des Verlages beruft sich auf Entscheidungen des Presserats, der in ähnlich gelagerten Fällen entschieden habe, dass der Abdruck von Fotos von Katastrophenopfern nicht grundsätzlich gegen den Pressekodex verstoße. Im vorliegenden Fall lägen besondere Begleitumstände vor. Dass ein Neunjähriger einen Flugzeugabsturz als einziger Passagier überlebe, sei ungewöhnlich. Die ganze Welt habe Anteil am Schicksal des Jungen genommen, der im Krankenhaus Interviews gegeben habe. Weder die Bildunterschrift noch der Artikel enthielten sensationelle Darstellungen oder unangemessene Formulierungen. (2010)