Mladic darf „Schlächter vom Balkan“ genannt werden
Zum Zeitpunkt der Berichterstattung keine vernünftigen Zweifel mehr
Eine Boulevardzeitung berichtet in ihrer Online-Ausgabe über den Prozess gegen Ratko Mladic, den Ex-General der bosnischen Serben, dem schlimmste Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Die Zeitung titelt „Mladics irrer Auftritt vor dem UN-Tribunal“; in der Überzeile zur Überschrift steht die Aussage „Der Schlächter vom Balkan vor Gericht“. Im Bericht heißt es, der Angeklagte habe alle Vorwürfe von sich gewesen. Der Autor fährt fort: „In Srebrenica ließ er 8000 Jungen und Männer einfach abschlachten, im belagerten Sarajevo mit Scharfschützen auf die Bevölkerung schießen.“ Ein Nutzer der Internet-Ausgabe kritisiert eine von ihm vermutete Vorverurteilung des Angeklagten. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei es nicht erwiesen gewesen, inwieweit der Beschuldigte tatsächlich für das Massaker in Srebrenica verantwortlich gewesen sei. Nach Ansicht der Rechtsabteilung der Zeitung sei dies kein Fall von Vorverurteilung, da weder die Äußerungen im Fließtext des Artikels noch die Titulierung als „Schlächter vom Balkan“ Mladic präjudizierend als Täter darstellten. In der gesamten Berichterstattung werde die Unschuldsvermutung gewahrt und Mladic ausdrücklich als „mutmaßlicher Kriegsverbrecher“ bezeichnet. Des Weiteren werde im Text mehrmals darauf hingewiesen, was das Gericht ihm vorwerfe und wie die Anklage laute. Für den Leser sei deutlich erkennbar, dass es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Immer sei klar, dass lediglich Anklage-Inhalte wiedergegeben würden. Die Bezeichnung Mladics als „Schlächter vom Balkan“ sei ebenfalls kein Verstoß gegen die Ziffer 13 des Pressekodex. Mit ihr werde nicht etwa gesagt, dass der Angeklagte schuldig im Sinne eines Richterspruchs sei. Er werde lediglich mit dem schlagwortartigen Namen benannt, unter dem er allgemein bekannt sei. Der Tatverdacht gegen Mladic habe sich zum Zeitpunkt der Berichterstattung derartig verdichtet, dass kaum noch vernünftige Zweifel an seiner Schuld und Verantwortung bestanden hätten. (2011)