Spekulationen um einen Suizid
Wurde junge Frau durch Facebook-Einträge in den Tod getrieben?
„Heftige Häme nach ´Perfektem Dinner´ - Claudia B. nahm sich das Leben“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung über einen Suizid. Tags darauf erscheint in der Print-Ausgabe ein Artikel unter der Überschrift „Freitod nach TV-Auftritt“. Die 32-Jährige hatte an der TV-Sendung „Das perfekte Dinner“ teilgenommen. In den Beiträgen wird über die Hintergründe spekuliert. Unter anderem werden Einträge auf der Facebook-Seite des Senders zitiert, in denen Claudia B. der Häme von Zuschauern ausgesetzt war. Die Zeitung resümiert: „Aus ihrem persönlichen Umfeld heißt es, dies habe mit den Ausschlag gegeben für ihren Entschluss, aus dem Leben zu scheiden.“ Ein Leser der Zeitung hält die Spekulationen über den Suizid für menschenverachtend, zumal es im Beitrag heiße, „ob diese Entwicklungen im Zusammenhang mit der TV-Präsentation stehen, bleibt Spekulation“. Der Beschwerdeführer sieht die Richtlinie 8,5 (Selbsttötung) innerhalb der Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsreche) verletzt. Er kritisiert zudem den Abdruck eines Fotos, auf dem die Frau nackt zu sehen ist. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet von intensiven Diskussionen innerhalb der Redaktion, wie in diesem Fall zu verfahren sei, zumal über Fälle von Suizid nur in Ausnahmefällen berichtet werde. Die Redaktion habe über Claudia B. und ihren Auftritt bei „Das Perfekte Dinner“ bereits berichtet. Die Frau sei mit ihren teilweise exzentrischen Auftritten in der Öffentlichkeit, so auch bei dem abgebildeten Fotoshooting in der Fußgängerzone des Verlagsortes, mehrfach Gegenstand der Berichterstattung gewesen. Wer in einer Fernsehshow vor einem Millionenpublikum auftrete und auch im lokalen Umfeld so manche Gelegenheit nutze, um auf sich aufmerksam zu machen, sei zumindest zeitlich beschränkt eine Person des öffentlichen Interesses. Bei Claudia B. sei es offensichtlich der aus den Vorwürfen im Internet erzeugte Druck gewesen, der möglicherweise zu ihrem Suizid beigetragen habe. Die Redaktion habe dokumentieren wollen, wie sehr die Debatte auch unter die Gürtellinie gegangen sei. Die Frau habe sich auf diese Debatte eingelassen. Das sage viel über ihre Persönlichkeit aus. Daher habe die Redaktion es für angebracht gehalten, Auszüge aus diesen Auseinandersetzungen zu veröffentlichen.