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U-Bahn-Gewaltszene auf der Titelseite

Jugendlicher Täter passt nicht in das Schema des üblichen Verdächtigen

Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht eine Geschichte zum Thema Jugendgewalt. Auf dem Titel der Zeitschrift, der auch im Internet zu sehen ist, wird eine Gewaltszene in einem Berliner U-Bahnhof gezeigt: Ein junger Mann macht eine ausholende Bewegung mit einem Bein, offensichtlich, um auf den Kopf eines am Boden liegenden Mannes zu treten. Ein Leser des Magazins stellt in seiner Beschwerde an den Presserat die Frage, ob eine derartige Darstellung auf der Titelseite einer Zeitschrift sein müsse. Er vermutet eine Verletzung der Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung). Die Rechtsabteilung der Zeitschrift äußert Verständnis für die Haltung des Beschwerdeführers, wenn dieser das Titelbild erschreckend finde. Das liege jedoch nicht daran, dass das Titelbild das Thema Jugendgewalt unangemessen gewalttätig abbilde, sondern sei ausschließlich der brutalen Realität geschuldet. Im vorliegenden Fall seien Unverständnis und Entsetzen besonders groß gewesen, weil der Täter nicht der übliche Verdächtige sei (eindeutig vorbestrafter Jugendlicher, oft mit Migrationshintergrund), sondern ein angepasster Gymnasiast aus gutem Hause. Das Bild aus der Überwachungskamera zeige nichts weiter als die erschreckende Realität und beschreibe eindringlich ein Thema, das in der öffentlichen Diskussion seit langem eine herausragende Rolle spiele. (2011)