„Ein bedauerliches Versehen“
Das Foto eines Angeklagten sollte gepixelt werden
Unter der Überschrift „Horror-Geständnis vor Gericht“ berichtet eine Boulevardzeitung über den Prozess gegen einen Mann, dem zur Last gelegt wird, seinen Vater auf offener Straße angezündet zu haben. Der Angeklagte wird mit einem ungepixelten Bild vorgestellt. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Präsident des Landgerichts. Nach seiner Darstellung stammt das Foto aus Filmaufnahmen, die nur unter der Auflage zugelassen worden seien, dass der Angeklagte unkenntlich gemacht werde. Eine Ausnahme habe für den Fall gegolten, dass der Angeklagte der Veröffentlichung zustimme. Diese Einwilligung habe der Mann jedoch nicht abgegeben. Der Beschwerdeführer steht zudem auf dem Standpunkt, dass die Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten verletze. Die Rechtsabteilung des Zeitungsverlags teilt mit, die verantwortliche Redakteurin sei durch die Beschwerde des Landgerichts persönlich stark betroffen gewesen. Sie arbeite seit Jahren als Gerichtsreporterin, ohne dass es jemals Unstimmigkeiten gegeben habe. Die ungepixelte Veröffentlichung des Fotos sei nicht absichtlich, sondern durch ein bedauerliches Versehen passiert. Technische Probleme und eine unzureichende Abstimmung hätten dazu geführt, dass die Pixelung unterblieben sei. Die Redakteurin habe sich daraufhin umgehend beim zuständigen Richter entschuldigt und die Hintergründe erläutert. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass der Richter die Entschuldigung angenommen habe. Außerdem stellt die Rechtsvertretung die Frage, ob Strafgerichte durch sitzungspolizeiliche Anordnungen wie im vorliegenden Fall die Bildberichterstattung durch die Medien ganz untersagen oder durch Anonymisierungsanordnungen oder ähnliches einschränken dürften. Juristisch sei nicht abschließend geklärt, ob Anonymisierungsanordnungen überhaupt rechtmäßig seien. Daher könne in Fällen wie diesem aus presseethischer Sicht erst recht nicht entschieden werden. Zur presseethischen Beurteilung führt die Rechtsabteilung aus, dass die besonders Aufsehen erregende Tat und das Geständnis des Angeklagten die Berichterstattung zulässig gemacht hätten. Sie gibt auch zu bedenken, ob nicht das Verhalten des Beschwerdeführers – der Zeitung werden nun überhaupt keine Fotografier- und Drehgenehmigungen für strafrechtliche Verhandlungen mehr erteilt – mit dem Grundrecht nach Artikel 5 zu vereinbaren sei. Derartige Sanktionen schränkten den grundsätzlichen Auftrag der Presse, dessen Schutz sich ausweislich der Präambel des Pressekodex auch der Presserat verpflichtet sieht, in nicht zu rechtfertigender Art und Weise ein. (2010)