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Zeichnung eines verhungerten Kindes gedruckt

Auf den ersten Blick nicht von einem Foto zu unterscheiden

„Wie viel Schuld tragen die Behörden an dem Tod des kleinen Mädchens?“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um das Ableben der neun Monate alten Lara-Mia, deren Eltern sie verhungern ließen. Dem Beitrag beigestellt ist eine Zeichnung, die die Redaktion auf der Basis der Aktenangaben erstellt hat. Sie zeigt die völlig abgemagerte, nackte Leiche des Kindes. Ein Nutzer der Internet-Ausgabe sieht durch die Wiedergabe der Zeichnung die Menschenwürde des Kindes verletzt. Er hält die Berichterstattung für unangemessen sensationell. Die Rechtsabteilung der Zeitung bemerkt in ihrer Stellungnahme, der Fall Lara-Mia habe seiner Zeit weite Kreise der Bevölkerung erschüttert. Die beanstandete Zeichnung sei nach Fotos angefertigt worden, die sich in Behördenakten befunden hätten. Sie seien der Hamburger Bürgerschaft übergeben worden. Das Originalbild sei weit drastischer. Es zeige die Spuren der ärztlichen Versuche, das Kind wieder zu beleben. Die Redaktion habe sich für die Veröffentlichung der Zeichnung entschieden, um nicht mehr als nötig die Brutalität des Vorgangs in den Vordergrund zu stellen. Es gehe nicht um die sensationelle Darstellung eines toten Kindes. Kurz vor dem Jahrestag habe die Zeitung den Fall in die Erinnerung der Leser rufen und fragen wollen, ob in den Behörden mittlerweile ein Umdenken stattgefunden habe. Mit der Zeichnung habe die Redaktion dokumentieren wollen, dass sowohl die Eltern als auch die amtliche Betreuerin den hohen Grad der Vernachlässigung des Kindes hätten erkennen müssen. Die Redaktion könne nicht erkennen, dass mit der Veröffentlichung die Menschenwürde des Kindes verletzt worden sei. (2010)