Zuspitzung ist ausdrücklich erwünscht
Kolumnist beschäftigt sich mit Annette Schavan und Rainer Brüderle
In einer Kolumne, die in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung erscheint, führt der Autor diverse Gründe dafür auf, dass die frühere Ministerin Annette Schavan bei ihrer Doktorarbeit betrogen habe. Auszug: „Liebe Annette Schavan, Sie haben ein wunderbares, unverheiratetes Lehrerinnen-Gesicht. Ihre Frisur ist bubihaft. So kämmten sich Frauen vor 30 Jahren. Sie sind wie eine Cousine, die keinen Mann bekommen hat. Wahrscheinlich essen Sie gerne Ziegenkäse“. Tags darauf erscheint eine weitere Kolumne, wiederum vom gleichen Autor geschrieben. Diesmal geht es um Rainer Brüderle. Darin bewertet der Kolumnist das Zusammentreffen von Brüderle mit einer jungen Journalistin, das später eine ausgedehnte Sexismus-Debatte zur Folge hatte. Wiederum ein Auszug: „Was ist daran schlecht, wenn ein 67-jähriger Mann mit einer Stern-Reporterin an einer Bar betrunken ist. Ich bin nicht entsetzt. Es ist das Leben.“ Ein Leser der Online-Ausgabe hält beide Kolumnen für menschenverachtend. Die Politikerin Schavan wird ebenso herabgewürdigt, wie die Stern-Reporterin im Brüderle-Beitrag. Beide Artikel seien frauenfeindlich. Die Rechtsabteilung der Zeitung bezeichnet die täglich erscheinenden Kolumnen als einen Platz im Blatt, der „meinungsintensiven Formulierungen“ Raum gebe. Durch ihre Pointierungen und Zuspitzungen gäben sie immer wieder Anlass zu intensiven Diskussionen. Dieser Effekt sei ausdrücklich erwünscht. Der gesellschaftlich-politische Diskurs sei fundamentaler Bestandteil der Demokratie. Keine der beanstandeten Kolumnen sei geeignet, die Grenze einer zulässigen Meinungsäußerung zu überschreiten.